Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Splitter

Splitter

Titel: Splitter
Autoren: Sebastian Fitzek
Vom Netzwerk:
Valka einen sprechen wollte. Zumindest nicht lange.
    Eddy sah nur kurz auf, dann widmete er sich wieder den langstieligen Rosen, die vor ihm auf der Arbeitsplatte lagen. Eine nach der anderen nahm er hoch, begutachtete ihren Wuchs, kürzte sie mit einer Handschere und steckte sie zu den anderen in einen silbergrauen Blecheimer.
    »Erst musst du aber bei meinen Eltern um meine Hand anhalten.«
    »Deine Eltern sind tot«, sagte Valka tonlos und schnitt einer Rose den Kopf ab.
    Offenbar war er mit der Farbe ihrer Blüte nicht einverstanden gewesen.
    »Wusstest du, dass man Schnittblumen kurz in kochend heißes Wasser tauchen soll, wenn sie die Köpfe hängen lassen?« Eddy ließ die kleine Gartenschere in seiner Hand aufschnappen und verscheuchte damit eine Kartäuserkatze, die zu ihm auf den Tisch springen wollte.
    »Mit dem Kopf oder mit dem Stiel?«, witzelte Benny. Er sah der Katze hinterher, die sich zu ihren Geschwistern unter die Heizung trollte. Niemand wusste, weshalb Valka diese Viecher überhaupt in seiner Umgebung duldete. Eddy mochte keine Tiere. Wenn man es genau betrachtete, mochte er grundsätzlich keine Lebewesen. Den Blumenladen hatte er nur aufgemacht, weil er dem Finanzamt schlecht seine wahren Geldquellen angeben konnte und es außerdem nicht einsah, dass die bei ihm versklavten Rosenverkäufer, die nachts durch die Bars und Kneipen der Stadt zogen, ihre Bettelware anderswo bezogen. Wenn er ein Geschäft kontrollierte, dann zu hundert Prozent.
    Benny suchte nach einer Möglichkeit, sich zumindest irgendwo anzulehnen, aber für Wartende war das schwüle Ladengeschäft nicht ausgelegt. Überhaupt schien es nicht an Kunden interessiert, dazu lag es viel zu weit abseits von den Köpenicker Hauptgeschäftsstraßen, noch dazu direkt neben einem Boxgym, dessen schlagkräftige Besucher nicht gerade zu der bevorzugten Laufkundschaft eines Floristen zählen.
    »Schöner Name übrigens«, sagte Benny mit Blick auf das schlierige Schaufenster. ROSENKRIEG stand dort spiegelverkehrt mit aufgeklebten Buchstaben, die einen Halbkreis andeuteten.
    »Passt gut.«
    Eddy nickte anerkennend. »Du bist der Erste, dem das auffällt.«
    Valka war ein tschechischer Nachname und bedeutete übersetzt »Krieg«, etwas, worauf der Chef der organisierten Ostberliner Türsteherszene außerordentlich stolz war. Nachdem er sich die Hände an einer grünen Gummischürze abgewischt hatte, sah Eddy ihm zum ersten Mal in die Augen.
    »Du siehst besser aus als früher. Nicht mehr so las eh. Treibst du Sport?«
    Benny nickte.
    »Verdammt, der Psychoknast scheint dir gutgetan zu haben. Wie kommt es, dass du schon so früh wieder draußen bist?«
    »Alle paar Monate gibt es eine Überprüfung. Das ist Vorschrift.«
    »Aha.«
    Valka zog eine besonders langstielige Rose aus dem Eimer, roch an ihr und nickte anerkennend.
    »Und die Psychofritzen denken jetzt also, du bist doch nicht mehr gemeingefährlich?«
    »Nachdem mein lieber Bruder seine Aussage endlich korrigiert hat … », Benny griff nach dem Blatt einer YuccaPalme, « … ja, danach haben sie mich gehen lassen.«
    »Die hätten auch mich fragen können«, sagte Valka, und Benny musste grinsen.
    »Ehrlich gesagt bin ich mir nicht so sicher, ob du in den Augen der Justiz einen vertrauenswürdigen Leumund hast.«
    Eddy verzog beleidigt den Mund. »Es gibt keinen Besseren, um zu bezeugen, dass du keiner Fliege was zuleide tun kannst. Wie lange kennen wir uns jetzt schon?«
    »Über siebzehn Jahre«, antwortete Benny und fragte sich, wann Valka endlich zur Sache kommen würde. Bei diesem Treffen ging es wohl kaum um einen Plausch über alte Zeiten.
    »Scheiße, damals war meine jetzige Freundin noch nicht mal geboren.«
    Valkas Lächeln erstarb so plötzlich, wie es aufgeblitzt war. »Anfangs wollten wir dich nicht dabeihaben, Benny. Du warst uns einfach zu weich.«
    Eine weitere Rose wurde geköpft.
    »Und genau das würde ich den Psychofritzen erklären, die dich weggesperrt haben. Ich würde denen stecken, dass mein ehemaliger Mitarbeiter ein HSPler ist.« Benny lächelte. Es war äußerst selten, dass jemand den Fachbegriff für seine Störung kannte. Aber Valka war einer jener Menschen, bei denen man nicht vom Äußeren aufs Innere schließen durfte. Mit dem gedrungenen Gesicht, der platten hohen Stirn und den schiefen Zähnen wirkte er wie der Prototyp eines Schlägers. Tatsächlich hatte er Abitur gemacht und sogar vier Semester Psychologie studiert, bevor er herausfand, dass er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher