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Spielball Erde: Machtkämpfe im Klimawandel (German Edition)

Spielball Erde: Machtkämpfe im Klimawandel (German Edition)

Titel: Spielball Erde: Machtkämpfe im Klimawandel (German Edition)
Autoren: Cleo Paskal , Claus Kleber
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treffen, off limits . Schade! Es wären schöne Bilder gewesen, die gezeigt hätten, wie sich die Welt der Wissenschaft gemeinsam der dringenden Frage widmet: Was, zum Teufel, läuft falsch in der Atmosphäre unseres Planeten, und was lässt sich da noch tun?
    Wir verstauen unser Gepäck im Guesthouse , erkunden ein erstes Mal die recht überschaubare Siedlung – die wir wegen der Eisbären nicht einmal ein paar Meter weit verlassen sollen –, besorgen im kleinen Laden am Hafen noch ein bisschen Wein und schauen dann durch die Fenster zu, wie in den Hütten um uns herum schnell und sehr früh die Lichter ausgehen. Der ruhige Rhythmus dieses Nestes am Ende der Welt erweist sich als ansteckend. Auch unser Haus ist bald dunkel.
    Am nächsten Morgen will uns Professor Miller zu »seinem« Gletscher am Ende des Fjords bringen. Wir bekommen nahtlose Overalls aus schwerem, grell orangefarbenem Kunststoff verpasst – Rettungsanzüge, mit denen wir in dem eiskalten Wasser notfalls eine Zeit lang überleben könnten. Dann geht es mit Schlauchbooten in rasender Fahrt, vorbei an blau schimmernden Eisbergen, über das spiegelglatte Wasser zur Abbruchkante des Eises. Die kristallklare Luft täuscht unsere Sinne. Wir hatten die Entfernung weit unterschätzt. Getrieben von ihren bärenstarken Außenbordern, fliegen die Zodiacs über das Wasser, und dennoch dauert es mehr als eine Stunde, bis wir in die Nähe des Gletschers kommen.
    Nun wirkt die Eiskante, die aus der Entfernung als eine Gerade erschien, wie ein blau-silbrig schimmerndes Gebirge, durchzogen von schmutzigen Linien. Vorsichtig tasten wir uns heran, bei 300 Meter Abstand ist Schluss. Der Gletscher kalbt. Wenn sich einer der gewaltigen Türme von der Vorderseite löst und ins Wasser stürzt, kann uns die Welle in tödliche Gefahr bringen. Wir sind tief beeindruckt von dem majestätischen Anblick, aber Professor Miller vergleicht ihn in seiner Erinnerung mit dem viel mächtigeren Gletscher, der er vor 20 und mehr Jahren noch gewesen war. »Wo wir jetzt mit unseren Booten fahren, lag damals noch eine Dutzende Meter dicke Eisschicht auf dem Wasser. Weg! Der Gletscher stirbt vor sich hin. Alle unsere Daten zeigen, dass das ein Phänomen ist, das die ganze Arktis erfasst. Wir warnen schon lange, aber erst jetzt beginnt man so langsam auf uns zu hören.«
    Diese Sätze wiegen für mich schwer, weil der erfahrene Arktisforscher so gar nichts von einem Alarmisten an sich hat. Er hat ein Forscherleben damit zugebracht, die Teile des arktischen Puzzle zu einem Gesamtbild des Geschehens zusammenzufügen. Während wir in respektvoller Entfernung an der gewaltigen Wand entlanggleiten, spricht er in nachdenklichen Sätzen über seine Erfahrungen der letzten vier Jahrzehnte. Er hat an zahllosen Expeditionen zum Nord- und zum Südpol teilgenommen, selbst geforscht und auf Kongressen seine Ergebnisse den Fragen und dem Urteil der angesehensten Experten ausgesetzt. Er ist vernetzt mit Kollegen in aller Welt und bestens vertraut mit den Gegenargumenten der »Klimaskeptiker«. Er gibt bereitwillig zu, dass es immer noch Phänomene und Prozesse gibt, die er und seine Kollegen nicht völlig durchschauen. Aber für ihn steht fest, dass der Planet sich noch schneller als erwartet verändert und dass die Folgen immens sein werden.
    »Wenn nur der Eispanzer über Grönland schmilzt, dann reicht das schon, um den Wasserspiegel der Weltmeere um mehr als sechs Meter zu heben. Dann ist Hamburg unbewohnbar. Das passiert nicht von heute auf morgen. Aber es passiert, und wir müssen uns darauf einstellen. Politiker und Strategen müssen sich dafür interessieren. Wir messen hier ja nur die Anfänge – aber wir müssen die Entwicklung zu Ende denken. Wir können ja nicht ausweichen. In der Völkerwanderung des Mittelalters hatten die Menschen noch Platz. Sie konnten wandern. Heute geht das nicht mehr. Und die Folgen von dem, was hier oben geschieht, reichen bis in die Alpen und den Himalaya.«
    Ich denke beim Zuhören an unsere Arbeit in der Redaktion. Wenn wir in den Nachrichten über Klimawandel berichten, wird uns von Zuschauern immer wieder vorgeworfen, dass wir einer überzogenen Kampagne fragwürdiger Wissenschaftler Vorschub leisten. Die blasen, von Geltungssucht getrieben, unbewiesene Thesen hinaus – so steht es in zahllosen Briefen und Mails. Professor Miller verkörpert das Gegenteil eines solchen Zerrbildes.
    Wir verbringen drei Tage in Ny Ålesund, lernen die Forscher und ihre Projekte
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