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Spielball Erde: Machtkämpfe im Klimawandel (German Edition)

Spielball Erde: Machtkämpfe im Klimawandel (German Edition)

Titel: Spielball Erde: Machtkämpfe im Klimawandel (German Edition)
Autoren: Cleo Paskal , Claus Kleber
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Staub von ausgetrockneten Halden und den Grund ehemaliger Seen auf und trägt die ätzenden Salze ostwärts bis Beijing – sogar an der amerikanischen Ostküste sind sie noch mess- und spürbar. Der Gelbe Fluss, in dessen Bogen Baotou liegt, ist häufig so verseucht, dass schon bloße Berührung des Wassers gefährlich ist. 158
    Das alles hatte ich gehört und gelesen. Ich erwartete eine rußschwarze Stadt unter tief liegenden Smogwolken, die dem Licht alle Farben entziehen. Ich war schlecht vorbereitet auf Baotou, jedenfalls an diesem Tag. Der Wind stand gut, als wir landeten, und hatte die Schwaden hinausgeweht in die Steinwüste – das mongolische Wort dafür ist »Gobi«. Mich empfing eine Stadt mit modernen Gebäuden, grünen Parks und luxuriösen Geschäftsstraßen, auf denen viele Chinesen auf Elektrofahrrädern unterwegs waren. Unter dem Vordach des Shangri-La-Hotels drängten sich neu funkelnde Geländewagen von Rover, Porsche und BMW in opulent getunten Luxusversionen, die ich in Deutschland noch nie gesehen hatte. Das gab der Szenerie etwas Halbseidenes. Ehrlich verdientes Geld wird so nicht zur Schau getragen. Es wurde auch nicht von günstigen Winden hergeweht.
    Baotou ist laut Forbes Magazine die Welthauptstadt der sogenannten Seltenen Erden – Elemente, die weder aus Erde noch selten sind. Es handelt sich um eine Gruppe von Metallen, die sich fast überall finden lassen, aber meist in so minimalen Spuren, dass sich ein Abbau nicht rechnet. Einige dieser Metalle sind wichtig für die Fertigung von Hightech-Geräten und für grüne Technologie. Lanthan wird etwa für Brennstoffzellen und Akkumulatoren gebraucht, Neodym für die Dauermagneten in den Generatoren moderner Windturbinen oder in Bauteilen von Computern. Je kleiner, kompakter und leistungsfähiger der Laptop, das iPad oder das Mobiltelefon sein solle, desto unverzichtbarer die Seltenen Erden.
    Deng Xiaoping, der Architekt von Chinas Aufstieg zur Wirtschaftssupermacht, hatte das Potenzial dieser Metalle schon vor 20 Jahren entdeckt und prägte einen Satz, der heute in goldenen Lettern am Eingang des Technologieparks von Baotou steht: »Der Mittlere Osten hat das Öl, China hat die Seltenen Erden.« Die Senke, in der Baotou liegt, hat weltweit die größte Konzentration davon. Die Förderung von Erz und Kohle in den riesigen Minen, die ohnehin die Erde der Inneren Mongolei aufwühlt, schaffte auch das Gold des Hightech-Zeitalters nach oben. Schatzjäger organisierten sich zu Kartellen, die dafür sorgten, dass die wertvollen Substanzen aus dem Abraum gewaschen wurden – mit zum Teil kriminellen Methoden und ohne Rücksicht auf die gewaltigen Umweltschäden. 159 Baotou wurde zum Wilden Westen der Seltenen Erden, und wie im amerikanischen Wilden Westen des 19. Jahrhunderts wurde manch einer sehr schnell sehr reich. Skrupellosigkeit und Gier waren gut für das Geschäft – eine Zeit lang. Dann drückte Überproduktion die Preise rasant nach unten. Die Computer- und die Greentech-Industrie waren noch nicht groß und gefräßig genug, das Angebot aufzunehmen. Ob Absicht dahinterstand oder nicht – jedenfalls drängte der Preisverfall Länder mit höheren Produktionskosten ( USA , Kanada, Australien, Südafrika) aus dem Markt, und zwar so gründlich, dass China heute mehr als 95 Prozent der Weltproduktion dieser strategischen Rohstoffe kontrolliert. Ihr Zentrum ist nach wie vor Baotou. Allerdings haben Partei und Regierung die Zügel inzwischen angezogen. Sie holen sich die Kontrolle von den Freibeutern zurück, weil sie wollen, dass die Seltenen Erden der Inneren Mongolei zum Magneten werden, der Hightech-Industrie aus aller Welt unwiderstehlich an den Standort Baotou zieht. Dort wird inzwischen auch mit Immobilien großes Geld verdient. 160
    Aber die alte Zeit der Rauchschwaden, der Hochöfen und der Kohleminen, die 5000 Quadratkilometer Erde so ausgehöhlt haben, dass die Städte auf einer zerbrechlichen Kruste stehen, ist noch lange nicht vorbei. Wir erleben die machtvolle Präsenz der Vergangenheit am nächsten Tag ausgerechnet bei einer Fahrt, die uns zu einem Stück Zukunft bringen soll. Wolfgang Jussen, damals Direktor ( CEO ) der chinesischen Tochterfirma eines deutschen Windmaschinenbauers, will uns einen Anblick zeigen, den wir nicht vergessen werden.
    Seit Stunden schon rollen wir in unserem Kleinbus über eine vielspurige Autobahn, die fast ausschließlich von schweren Lastern mit langen, verhüllten Ladeflächen befahren wird. Es
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