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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
Autoren: Johann Gottfried Seume
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Quintus Icilius bei dem Theologen Morus und fand in demselben nichts, was in meinen Kram getaucht hätte. So macht man manchen Marsch in der Welt, wie im Kriege, umsonst. Es wehte mich oft eine kalte, dicke, sehr unfreundliche Luft an, wenn ich einer Residenz nahe kam; und ich kann nicht sagen, daß Dresden diesmal eine Ausnahme gemacht hätte, so freundlich auch das Wetter bei Meißen gewesen war. Man trifft so viele trübselige, unglückliche, entmenschte Gesichter, daß man alle fünf Minuten auf eines stößt, das öffentliche Züchtigung verdient zu haben oder sie eben zu geben bereit scheint: Du kannst denken, daß weder dieser noch jener Anblick wohltut. Viele scheinen auf irgendeine Weise zum Hofe zu gehören oder die kleinen Offizianten der Kollegien zu sein, die an dem Stricke der Armseligkeit fortziehen und mit Grobheit grollend das Endchen Tau nach dem hauen, der ihrer Jämmerlichkeit zunahetritt. Ungezogenheit und Impertinenz ist bekanntlich am meisten unter dem Hofgesinde der Großen zu Hause, das sich oft dadurch für die Mißhandlungen schadlos zu halten sucht, die es von der eben nicht feinen Willkür der Herren erfahren muß. Höflichkeit sollte vom Hofe kommen; aber das Wort scheint, wie viele andere im Leben, die Antiphrase des Sinnes zu sein, und Hof heißt oft nur ein Ort, wo man keine Höflichkeit mehr findet, sowie Gesetz oft der Gegensatz von Gerechtigkeit ist. Wehe dem Menschen, der zur Antichambre verdammt ist! Es ist ein großes Glück, wenn sein Geist nicht knechtisch oder despotisch wird! Und es gehört mehr als gewöhnliche Männerkraft dazu, sich auf dem gehörigen Standpunkte der Menschenwürde zu erhalten.
    Eben komme ich aus dem Theater, wo man Großmanns alte »Sechs Schüsseln« gab. Du kennst die Gesellschaft. Sie arbeitete im Ganzen gar nicht übel. Das Stück selbst war beschnitten worden, und ich erwartete nach der Gewohnheit eine förmliche Kombabusierung, fand aber bei genauer Vergleichung, daß man dem Verfasser eine Menge Leerheiten und Plattheiten ausgemerzt hatte, deren Wegschaffung Gewinn war. Verschiedene zu grelle Züge, die bei der ersten Erscheinung vor fünfundzwanzig Jahren es vielleicht noch nicht waren, waren gestrichen. Aber es war auch mit der gewöhnlichen Dresdener Engbrüstigkeit manches weggelassen worden, was zu Ehren der liberalen Duldung besser geblieben wäre. Ich sehe nicht ein, warum man den Fürsten in einen König verwandelt hatte. Das Ganze bekam durch die eigenmächtige Krönung eine so steife Gezwungenheit, daß es bei verschiedenen Szenen sehr auffallend war. Wenn man in Königsstädten die Könige zu bloßen Fürsten machen wollte, würde dadurch etwas gebessert? Sind nicht beide Fehlern unterworfen? Die Furcht war sehr unnötig; und der Charakter des wirklich vortrefflichen Kurfürsten muß eher durch solche Winkelzüge beleidigt werden. Man hat ihm in seinem ganzen Leben vielleicht nur eine oder zwei Übereilungen zur Last gelegt, und davon ist keine in dem Stücke berührt. Daß man die Grobheiten der verflossenen zwanzig Jahre wegwischt, hat moralischen und ästhetischen Grund: aber ich sehe nicht ein, warum die noch immer auffallenden Torheiten und Gebrechen der Adelskaste nicht mit Freimütigkeit gesagt, gerügt und mit der Geißel des Spottes zur Besserung gezüchtigt werden sollen. Wenn es nicht mehr trifft, ist es nicht mehr nötig; daß es aber noch nötig ist, zeigt die ängstliche Behutsamkeit, mit der man die Lächerlichkeit des jüngsten Kammerjunkers zu berühren vermeidet.
    Christ
, als Hofrat, sprach durchaus bestimmt und richtig, und seine Aktion war genau, gemessen, ohne es zu scheinen. Du kennst seinen feinen Takt. Madame
Hartwig
spielte seine Tochter mit ihrer gewöhnlichen Theatergrazie und an einigen Stellen mit ungewöhnlicher, sehr glücklicher Kunst. Madame
Ochsenheimer
fängt an, eine ziemlich gute Soubrette zu werden, und verspricht in der Schule ihres Mannes viel Gutes in ihrem Fache.
Ochsenheimer
war nicht zu seinem Vorteile in der Rolle des Herrn von Wilsdorf.
Thering
und
Bösenberg
kennst Du; beide hatten, der erste als Philipp, der zweite als Wunderlich, ein ziemlich dankbares Feld. Thering spielte mit seiner gewöhnlichen barocken Laune und mußte gefallen; aber Bösenberg tat einen beleidigenden Mißgriff, der ihm vielleicht nur halb zur Last gelegt werden kann. Wunderlich wollte für den gelieferten Wagen
stante bene
bezahlt sein: und nun denke Dir Bösenbergs obersächsische Aussprache hinzu, die so gern
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