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Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
Autoren: Roman Voosen , Kerstin Signe Danielsson
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er da hing, unter dem grauen Himmel Smålands. Dann richtete sie den Blick wieder auf den Boden. Auf den Toten. Schmetterlinge und ein Toter. Wie in diesem Film mit der jungen FBI-Agentin, dachte sie, Jodie Foster, Das Schweigen der Lämmer hatte der Film geheißen. Aber das war natürlich Blödsinn, das hatte nichts mit dem hier zu tun. Im wirklichen Leben gab es keine Kannibalen, keine Kleider aus Menschenhaut.
    Sie brach ein Blatt von einer Pflanze ab, die sie für Minze hielt, und legte es sich auf die Zunge. Es schmeckte nach gar nichts. Sie ging hinaus, zurück in den kalten Februarmorgen. Als sie auf dem Rasen ihren Mantel wieder anzog, kam Nyström auf sie zu.
    »Was denkst du?« Jede Silbe war eine Wolke in der Winterluft.
    Forss legte sich die Ausdrücke zurecht. Manche schwedischen Wörter fühlten sich noch fremd an in ihrem Mund, in der Muskulatur ihrer Wangen.
    »Der alte Mann hatte Besuch. Diese Verbrennungen, das kann man nicht alleine machen. Und der abgetrennte Finger. So etwas passiert nicht bei einem Unfall.«
    Nyström nickte.
    »Und die Nässe ist merkwürdig«, sagte Forss. »Warum ist er so nass?«
    »Vielleicht ist er ertränkt worden. Vielleicht war er auch erst draußen, im Regen, und dann hat ihn jemand hineingebracht.«
    »Möglich.«
    Forss fror jetzt. Sie knöpfte ihren Lodenmantel zu und zog die Schultern hoch.
    »Wer hat ihn gefunden?«
    »Ein Freund, Frederik Axelsson. Wohnt in Växjö und war gestern Abend mit dem Toten verabredet. Die haben sich regelmäßig getroffen. Als Frost nicht kam und Axelsson nichts von ihm hörte, hat er sich Sorgen gemacht. Heute Morgen ist er hierhergefahren und hat ihn gefunden.«
    »Und wo ist dieser Axelsson jetzt?«
    »Man hat ihm einen Krankenwagen gerufen. Er muss in einem erbärmlichen Zustand gewesen sein. Erstaunlich, dass er uns überhaupt alarmieren konnte. Weglaufen wird er uns sicher nicht.«
    Forss nickte. Dann zog sie eine Grimasse, hüpfte auf der Stelle, weil ihr immer noch nicht warm war, zischte durch die Zähne und sah hinüber zu Nyström.
    Die blinzelte sie an.
    »Ist was?«
    »Stina«, sagte sie, »... du hast da etwas Grünes zwischen den Zähnen.«
    4
    Lars Knutsson stapfte durch den Regen, der Schotter knirschte unter seinen Füßen. Er hatte Hunger. Das war eigentlich nichts Besonderes, er hatte oft Hunger. Aber heute hatte er nicht einfach Hunger, sondern einen Sonntagshunger. Der unterschied sich von einem normalen Hunger nicht dadurch, dass er größer, sondern dass er anders war. Ein Sonntagshunger war ein Hunger auf Rinderklößchensuppe, auf Braten mit Soße und Kartoffeln, auf zwei Sorten Buttergemüse. Auf einen Nachtisch, zum Beispiel warmen Käsekuchen mit Sahne und Blaubeermarmelade. Lisa, seine Frau, kochte gerade jetzt, als er den Schotterweg hinunterstapfen musste, genau dieses Essen. Sie stand am Herd in der großen, warmen Küche in ihrem Haus in Åby. Ihr ältester Sohn Martin war mit seiner Erika zu Besuch, und Enkel Oskar hatten sie auch dabei. Nur er lief hungrig durch den Wald.
    Natürlich würden sie an ihn denken. Sie würden von allem einen Rest übrig lassen und in Schälchen legen, mit Frischhaltefolie abdecken und in den Kühlschrank stellen. Aber das war kein Ersatz. Ein Sonntagshunger galt nicht diesen kalten Tupperdosen im Kühlschrank, die man in die Mikrowelle stellte, um sie dann vor dem Fernseher leer zu essen. Zum Sonntagshunger gehörte eine gedeckte Tafel, gehörte Oskar, wie er auf seinem Schoß saß und quietschte und kleckerte. Im Grunde war Knutssons Sonntag jetzt schon gelaufen.
    Der Waldweg wand sich über kleine Kuppen und durch sanfte Kurven. Vom Haus des Toten am Rödsjö bis zur Landstraße nach Dädesjö waren es etwa zwei Kilometer. Knutsson hatte sich erinnert, dass er entlang der Strecke am Morgen zwei Häuser hatte stehen sehen. Delgado war ziemlich schnell gefahren, darum hatte er den Weg dorthin nicht als so lang in Erinnerung. Er ärgerte sich, dass er nicht das Auto genommen hatte. Der Regen hatte seine Pudelmütze durchweicht, und er konnte spüren, wie ihm das Wasser aus dem Haar in den Kragen lief. Endlich wich der Tannenwald zu seiner Rechten einem Feld und gab den Blick frei. Knutsson erkannte etwa hundert Meter entfernt drei niedrige, windschiefe Gebäude, vermutlich Ställe. Daneben standen eine moderne Scheune und ein zweigeschossiges rotes Wohnhaus, zu dem eine Auffahrt führte. Er ging bis zur Abzweigung. Am Wegesrand stand ein grüner Briefkasten aus Plastik.
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