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Soucy, Gaetan

Soucy, Gaetan

Titel: Soucy, Gaetan
Autoren: Trilogie der Vergebung 02 - Die Vergebung
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Dreißig Meter vor ihnen sahen sie eine Gruppe von Männern mit Schneeschuhen und Fackeln. Es war der kleine Trupp von Oberleutnant Hurtubise, der sich auf dem Rückweg zum Bahnhof befand. Maurice bremste den Schlitten nicht ab. Die Gruppe musste zu beiden Seiten des Weges ausweichen, um sie passieren zu lassen.
    Der junge von Croft brachte das Gespann zum Stehen, als sie das Automobil erreicht hatten, das seit dem Vortag im Straßengraben steckte. Was hatte das zu bedeuten? Bapaume zeigte dem Jungen ein kippendes Lächeln. Es handelte sich doch sicher um einen Scherz?
    »Hier steigen Sie aus.«
    »Hier? Aber wieso das? Es ist mindestens noch eine Meile zu gehen. Schau mal, es ist schon fünf nach acht.Der Oberleutnant Hurtubise wird den Zugführer nicht ewig warten lassen können. Und bei dem ganzen Schnee werde ich nie …«
    »Man hat mir gesagt, ich soll Sie hier absetzen. Im Tal.«
    »Ach?«
    Er hatte keinen Zweifel daran, dass dieses ›man‹ Geneviève war.
    »Verstehe«, sagte er und stieg aus.
    Der Junge reichte ihm die Wolldecke.
    »Warte noch einen Augenblick. Ich … ich fürchte, man hat dir Dinge über mich erzählt. Nicht, dass sie falsch wären. Aber weißt du, manchmal kann es ungerecht sein, wie man die Dinge darstellt. Es würde zu lange dauern, es dir zu erklären. Vielleicht schreibe ich es dir eines Tages. Würdest du mir erlauben, dir zu schreiben, Maurice?«
    Der Junge ließ nichts durchscheinen. Bapaume lächelte befremdend, süßlich und listig.
    »Weißt du, woran ich gerade denken muss?« sagte er mit einem Augenzwinkern. »Falls es Gott jemals in den Sinn käme, auf die Erde zurückzukehren, was glaubst du, würde er tun?«
    Maurice beschaute ihn misstrauisch. Er presste die Zähne aufeinander.
    »Ja«, sagte Bapaume, »ich glaube, er würde zuallererst um Vergebung bitten.«
    Ein leichter Wind wirbelte die Schneeflocken durcheinander. Wie Mücken stoben sie auseinander. Einige verglommen auf Maurices geröteter Haut. Der Junge seufzte durch die Nase, als wollte er sagen: »Etwas Dümmeres ist Ihnen auch nicht eingefallen.«
    »Und ich möchte auch, dass du dir Folgendes merkst.«
    Bapaume suchte seine Worte im Schnee zu seinen Füßen, dann weit, weit oben, im Wörterbuch der Sterne.
    »Was immer du getan hast, oder glaubst, getan zu haben, Maurice, du hast das Recht zu atmen. Nicht mehr und nicht weniger als alle anderen. Du musst dich nicht schuldig dafür fühlen, dass es dich gibt, du musst dich nicht dafür schämen. Denn … keine Sünde rechtfertigt die Strafe, jemanden sterben sehen zu müssen, den man liebt. Es ist nicht unsere Schuld, wenn wir ganz unverdient die überleben, die eher als wir es verdient hätten, am Leben zu bleiben. Verstehst du? Das Leben wird einem gegeben, ohne dass man darum bittet, und wenn man es verschenken möchte, kann man es nicht. Nichts gehört uns. Niemand weiß warum. Aber so ist es.«
    Maurice hatte seine Fäustlinge ausgezogen. Er betrachtete seine Finger, die er bedächtig verdrehte, mit einer gewissen Zärtlichkeit. Sein schüchterner Blick traf den Bapaumes, und zum ersten Mal an diesem Tag glaubte Louis, einen Schimmer von Verbundenheit darin zu entdecken.
    »Julia ist deine Mama, nicht wahr? Sie hat dich bekommen, als sie noch jung war, lange vor der Hochzeit, hm? War es das, was sie mir vorhin sagen wollte?«
    Von ferne hörte man das Pfeifen einer abfahrenden Lokomotive. »Was soll’s«, dachte Bapaume. Er sinnierte darüber, dass Julia ihm dieses Geheimnis aus Mitgefühl hatte anvertrauen wollen, wie um ihm zu sagen, dass auch sie wisse, was es heißt, ein Kind zu haben, ein Wesen mehr als sich selbst zu lieben, und ihm schien, sie verdiente dafür, und allein dafür, einen noch größeren Platz in seinem Herzen. Maurice riss entsetzt die Augenauf. Louis streckte die Hand aus und legte sie auf sein Bein, als wollte er sagen: »Keine Sorge, ich verstehe das.«
    Doch der Junge stieß brutal seine Hand zurück. Er bedachte ihn mit einer unfassbar obszönen Geste, dass Bapaume erstarrte, wie vom Schlag gerührt, der Worte enthoben. Der Schlitten fuhr davon. Maurice von Croft schrie über die Schulter:
    »Sie haben gar nicht gemerkt, wie wir Sie an der Nase herumgeführt haben. Alle haben mitgemacht! Sogar mein Alter! Die mit dem Schönheitsfleck über dem Mund, das ist nicht Julia, das ist Geneviève!«
    Und mit vorgewölbten Lippen, wie ein Esel, ließ er ein vulgäres Blöken in die Landschaft schallen, unbestreitbar das Lachen eines
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