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Soucy, Gaetan

Soucy, Gaetan

Titel: Soucy, Gaetan
Autoren: Trilogie der Vergebung 02 - Die Vergebung
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bringen, wie man sagt. Ich kann gefährlich gut mit Frauen reden, ich gestehe es wie einen Makel. Doch bei Françoise war es fortan vergebens. Immer häufiger, für immer längere Zeit weigerte sie sich, mich zu sehen. Sie schrieb mir Briefe. Mit der Aufforderung, weiterzuarbeiten, die Musik zu komponieren, die sie warmhielte. Sie sei nur noch eine lebende Tote, sagte sie, und mit der Hand auf der Brust behauptete sie, ihr Herz darin nicht mehr schlagen zu spüren. Man müsse ihre Seele wiederfinden, sie wie ein Tier einfangen und sie zu ihr zurückbringen, sie wieder einsetzen in das Haus ihres Körpers. Meine Musik war es, die ihre Netze auswerfen sollte nach diesem kranken Vogel, das Oratorium, das ich komponierte, hatte dies Wunder zu vollbringen. Ich konnte nicht.
    Und ihr Haar, das schwarz wie Ebenholz war, wurde weiß. Und ich sah, wie sich Eisbänke um sie bildeten. Der Türgriff, den ich jeden Morgen in die Hand nahm, war eisig kalt. Es kam der Tag, an dem ich nicht einmal mehr hineingehen konnte. Die Frau, die ich liebte, war dort, hinter dieser Tür, sie verging dort in einer Eishölle, und ich konnte nichts tun. Keine Rettung ist mehr möglich, wenn die Berge und die Felsen und aller Winter sich in ein Herz gepflanzt haben.
    Und dann gegen Ende, ich weiß nicht, erfuhr sie eine Art Linderung. Sie kam wieder aus ihrem Zimmer. Sie ging manchmal hinaus, und ich sah sie drei Tage lang nicht. Eines Morgens entdeckte sie jemand auf einer Parkbank liegend; oder sie zog mit den Pennern umher, denen sie die ganze Zeit zulächelte, ganz zärtlich, und denen sie ihre Mäntel geschenkt hatte. In ihrem Zustand, sagte sie, würde gewiss nicht eine dünne Schicht Wolle ihr gefrorenes Blut wieder erwärmen …
    Françoise hat niemals Hand an sich gelegt, nie hat sie Gedanken gehegt, die in diese Richtung gingen, das beteuere ich Ihnen. Doch hat die Kälte die Entscheidung für sie getroffen. Sie war sicher die Mutigere von uns beiden in diesen Wirren, auf ihre Weise, aber da sie auch reiner war als ich, fehlte ihr der nötige Egoismus, um ihr eigenes Leben dem Gedenken vorzuziehen, das sie ihrem Kind zu schulden glaubte. Es war mir wichtig, dass Sie das wissen. Ich habe es Ihnen geschrieben, weil ich nicht immer den Mut finde, die Dinge laut auszusprechen. Wenn ich es vermag, in der Basilika Orgel zu spielen, so nur deshalb, weil ich dort VERBORGEN bin und mich vor allen Blicken geschützt weiß außer dem des Ewigen.
    Meine Frau hatte ohnehin nicht viele Verwandte in Europa, doch jetzt fürchte ich, dass angesichts der jüngsten Ereignisse niemand mehr dort ist. Sie sind der Erste, dem ich diesen Verlust mitteile. Falls ein paar Münzen übrig bleiben sollten, zünden Sie bitte in meinem Namen eine Kerze für die Küsterstochter an.
    Adieu und danke für alles, auch dafür, dass Sie im Krieg gekämpft haben.
    A.M.D.G.
    Louis-Joseph Bapaume
    Hurtubise schaute noch immer dem sich entfernenden Reisenden nach. Von einem plötzlichen Gedanken ergriffen, blieb Bapaume stehen und holte etwas aus seiner Tasche. Die Entfernung war zu groß, als dass Hurtubise sehen konnte, was es war. Der Reisende hob den Gegenstand mit ausgestrecktem Arm in die Höhe, um ihn sich im Mondschein zu besehen, wie man das Negativ eines Fotos betrachtet. Dann fiel ihm der Gegenstand aus den Händen, und der Musiker tat etwas so Außergewöhnliches, dass der Offizier sich bis an sein Lebensende fragen würde, ob er recht gesehen hatte.
    »Herr Oberleutnant! Herr Oberleutnant!« kreischte Chouinard plötzlich, als wäre ein Feuer ausgebrochen.
    Hurtubise kam zurück an den Tresen gerannt.
    »Was? Was denn? Was ist los?«
    »Der Bär!«, rief Chouinard ganz außer sich. »Wo ist er? Ich hab ihn heute morgen hier auf dem Tresen liegen lassen, da bin ich mir ganz sicher!«
    »Was geht mich dein verdammter Bär an!«
    Hurtubise kehrte ans Fenster zurück. Er ging sogar hinaus auf die Treppe, ohne sich einen Mantel überzuziehen. Nichts zu machen. Bapaume war verschwunden.
    Und dann, plötzlich, was war das? Käme da, ganz vage, eine Musik irgendwo aus den Bergen? Er horchte genauer … Nein, nichts. Der Wind musste es gewesen sein.
    Chouinard stand mitten im Raum, die Fäuste in die Seiten gestemmt. Man sah ihm die Fragezeichen aus dem Kopf steigen.
    »Was soll ihm schon passiert sein, deinem Bärchen, du Strohkopf. Hast du Angst, dass ich ihn dir geklauthabe, oder was? Glaubst du etwa, Monsieur Bapaume hat ihn mitgenommen? Ich wette, du hast ihn, dumm wie
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