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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl
Autoren: Barbara Beuys
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Männer in Schlamm und Gestank, im ohrenbetäubenden permanenten Lärm der Granaten und Minen, von Hunger und Durst gequält, viele grausame Tode. Und immer noch war kein Ende des Krieges in Sicht.
    Einer der wenigen Politiker, die noch an einen Verständigungsfrieden glaubten, war der amerikanische Präsident Woodrow Wilson. In einer Rede im US-Senat am 22. Januar 1917 warb er noch einmal für einen »Frieden ohne Sieg« und für seine Idee eines weltweiten »Völkerbundes«. Auf diese Rede bezog sich Robert Scholl in seinem Brief vom 25. Januar. Sie sei ein »Markstein in der Geschichte«, ihre Realisierung für den preußischen Militarismus der »Gnadenstoß«, schrieb er aus Ludwigsburg an seine Frau. »Ich drücke dem edeldenkenden Präsidenten im Geist die Hand.« Er konnte sicher sein, seine Frau würde ihn nicht belächeln.
    Als Lina Scholl ihrem Mann von einer überlauten Siegesfeier in der Nähe ihres elterlichen Hauses in Künzelsau berichtet, sind ihre Gedanken bei den Opfern: »Hoffentlich kostete dieser Erfolg nicht zu viel wertvolle Menschenleben.« Auch was sie am 7. Februar 1917 schreibt, ist unbeeindruckt von deutscher Kriegspropaganda und vielleicht ein versteckter Hinweis auf die aktuelle Entwicklung: »Unsern leitenden Kriegsherren wird manchmal auch recht bange sein ob der Zukunft und der großen Gegnerschaft.« An Gegnern war tatsächlich kein Mangel. Statt Präsident Wilsons Friedensrede aufzugreifen, hatte Deutschland am 31. Januar 1917 den uneingeschränkten U-Boot-Krieg erklärt. Wer Zeitung las, wusste, dass dieser totale Kampfeinsatz den USA – bis dahin offiziell neutral – keine Wahl ließ. Am 6. April 1917 erklärte der amerikanische Kongress Deutschland den Krieg. Deutschland hatte sich endgültig die Welt zu Feinden gemacht. Für Robert Scholl ist damit die deutsche Niederlage besiegelt, ein Grund zur Freude, denn bei einem deutschen Sieg »würde der nationalistische Gedanke und das Großmachtideal noch viel mächtiger als bisher und neue Kriege müssten ausgefochten werden«. Geradezu hochverräterische Gedanken, die er seiner Lina im Frühjahr 1917 anvertraut.
    Doch es gibt auch Trennendes zwischen den Eheleuten. Kaum ein Brief Lina Scholls, in dem sie nicht ihrem Gottvertrauen Ausdruck gibt. Robert Scholl dagegen, wie liebevoll er an sein »gutes Linäle« schreibt, nach jedem Abschied auf »baldiges Wiedersehen« hofft und am Briefende sein »teures Weib«, seinen »Schatz« stets »herzlich grüßt und innig küsst« – auf Gott beruft er sich nicht, niemals auch nur ein formelhaftes »Behüt Dich Gott«. Offensichtlich vertraut Robert Scholl darauf, dass seine Frau diese Ehrlichkeit richtig deutet und seine kritische Haltung gegenüber dem christlichen Glauben respektiert.
    Viele Jahre später, am 17. September 1942, schreibt die älteste Tochter Inge Scholl an den katholischen Schriftsteller Theodor Haecker, dem wir in München im Umfeld von Sophie und Hans Scholl begegnen werden: »Mein Vater ist leider kein Christ.« Er habe seit seiner Jugend keine Kirche mehr besucht, wenngleich er das Große und Edle im Christentum anerkenne. Im April 1941 hatte Robert Scholl seiner Tochter Sophie für deren Glückwünsche zum fünfzigsten Geburtstag mit dem Hinweis gedankt: »Bestimmt bin ich auch in künftigen Lebensjahren noch der gleiche Sucher, der ich immer war …« Die Diakonisse Lina Müller und der Sucher Robert Scholl werden bald entdeckt haben, dass sie zentrale christliche Wahrheiten unterschiedlich beurteilten: voll gläubiger Gewissheit die eine, mit Skepsis und Zweifeln der andere. In den Wochen und Monaten nach der Eheschließung erzählen ihre Briefe davon, dass ihre Liebe den Respekt vor der Überzeugung des anderen einschließt. Robert Scholl muss keine Floskeln bemühen, an deren Sinn er nicht glaubt.
    Und die fromme Lina Scholl erzählt frohen Herzens und ohne Scheu von ihrer Liebe und dem, was aus ihrer Sicht dieser Beziehung den krönenden Glanz verleiht: »Unsere Urlaubswoche war doch recht schön … Ich bin so froh an Dir und liebe Dich über alles Irdische. Gott muss uns freilich über alles gehen und darf nicht vergessen werden, sonst fehlt auch der höchsten, irdischen Liebe der Adel. Ich durfte ja bei Dir meiner Liebe Ausdruck geben in so mancher Weise und wir durften uns ungestört genießen.« Wenn Robert Scholl übers Wochenende Urlaub bekam und Lina Scholl wieder einmal das Bett mit ihm teilen konnte, verzichtet sie ohne Skrupel auf den üblichen
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