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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl
Autoren: Barbara Beuys
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sein Antrag, an der Front zu dienen, abgelehnt wurde.
    So sehr die tödlichen Konsequenzen des Krieges verdrängt oder verherrlicht wurden, ganz ohne Vorsorge ging es nicht. Von den 299 Haller Diakonissen forderte der Staat umgehend 65 als Krankenschwestern in Lazaretten an; darunter Lina Müller, die am 20. September 1914 zur Verwundetenpflege nach Hochdorf abkommandiert wurde. Es traf sie auch deshalb, weil das Diakonissenhaus nur gestandene Schwestern, die mindestens dreißig Lebensjahre hinter sich hatten, in diese Männerwelt schickte. Die nächste Station war das Ludwigsburger Lazarett, und dort gehörte der junge Robert Scholl zu Lina Müllers Arbeitskollegen.
    Robert Scholl war 1891 in dem Weiler Steinbrück, Gemeinde Geißelhardt, in eine Kleinbauern-Familie hineingeboren worden. Die kargen Böden im Mainhardtswald ernährten die Familie mit den elf Kindern mehr schlecht als recht. Als der Lehrer Robert Scholls Vater vorschlug, den begabten Jungen nach der Volksschule aufs Gymnasium zu schicken, winkte der ab. Wer sollte das bezahlen? Dem Pfarrer von Geißelhardt, der unentgeltlichen Privatunterricht anbot, konnte man nicht nein sagen. Robert Scholl ging täglich ins Pfarrhaus, lernte eisern und machte 1909 im Stuttgarter Eberhard-Ludwig-Gymnasium die Mittlere Reife. »Dann ergriff ich die Laufbahn eines mittleren Verwaltungsbeamten«, heißt es in einem Lebenslauf, den er 1936 handschriftlich für das Ulmer Finanzamt aufsetzte.
    Robert Scholl lernte von der Pike auf im Heimat-Rathaus von Geißelhardt und andern Gemeinden ringsum, dazu ein Jahr auf dem Amtsgericht in Öhringen. »1912/13 besuchte ich den Verwaltungskurs in Stuttgart. 1913 legte ich die Verwaltungsdienstprüfung ab.« Begabung und Fleiß, Wissbegierde und ein fester Wille hatten ihn hinausgeführt aus der heimatlichen bäuerlichen Enge. Robert Scholl hatte alle Chancen, im bürgerlichen Milieu Fuß zu fassen. Er arbeitete nach bestandener Prüfung in Stuttgart im Polizeipräsidium und im Steueramt. Als im August 1914 ringsum alles jubelte, blieb der junge Mann immun gegenüber dem nationalen Rausch, reihte sich nicht ein in die Schar der Freiwilligen.
    Trotz des blitzartigen Überfalls geriet der deutsche Vormarsch sehr bald ins Stocken. Die Felder Flanderns wurden vom Blut zehntausender deutscher Soldaten getränkt. Und die Logik des Krieges verlangte immer neues »Kanonenfutter«. Im November 1914 erhielt Robert Scholl den Gestellungsbefehl: »Zunächst wurde ich bei einem Infanterie-Ersatzbataillon mit der Waffe ausgebildet und sodann, weil nur garnisonsverwendungsfähig, zum Sanitätsdienst in das Reservelazarett nach Ludwigsburg abkommandiert.« So blieb ihm die Front erspart. Welche Erleichterung für den jungen Mann, der andere Vorstellungen von seiner Zukunft hatte als den Tod fürs Vaterland. Die Diakonisse Lina Müller scheint seinen Plänen sehr viel mehr entsprochen zu haben.
    Robert Scholl war mit seinen vierundzwanzig Jahren bereit, eine Familie zu gründen. Dass die Frau, in die er sich im Jahre 1915 verliebte und in der er sogleich auch die Mutter seiner Kinder sah, zehn Jahre älter war als er, spielte offensichtlich keine Rolle. Am 1. Februar 1916 schreibt Robert Scholl seinem »Linäle« in den Urlaub von einem Lazarett-Gespräch über »Kinderbeihilfen«, da »Kinder von Staats wegen erwünscht« seien. Entschieden setzt er seine Meinung dagegen: »Nun, wir wollen keine Kinder jemand zu Liebe, auch nicht aus Patriotismus. Sie sollen nur der Ausdruck unserer Liebe zueinander sein. Verzeih, wenn ich in der Mehrzahl spreche, denn Du kennst ja meinen Standpunkt. Aber ich freue mich sehr auf unser gemeinsames Geschöpf, das kannst Du Dir denken und auch das ist ein Ziel, dem wir zustreben und das uns enger noch miteinander verbindet.«
    Welche Gefühle trafen aufeinander, als die beiden sich im Lazarett begegneten? Musste der junge Sanitäter sehr um die Diakonissenschwester werben, oder änderte Lina Müller ohne Zögern ihre Zukunftspläne, in der kein Mann und keine Kinder vorgesehen waren? Es ist nichts überliefert. Aber fest steht, dass zum Jahresanfang 1916 die Entscheidung für beide gefallen ist, sich gemeinsam in die Zukunft aufzumachen.
    Am 20. Oktober 1916 legt Lina Müller die schwarze Diakonissentracht für immer ab. Sie tritt aus dem Verband der Schwäbisch Haller Diakonissen aus und verlobt sich mit Robert Scholl, der auf Urlaub zu ihr und den zukünftigen Schwiegereltern nach Künzelsau gekommen ist. Der
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