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Sonst noch Was

Sonst noch Was

Titel: Sonst noch Was
Autoren: Elke Heidenreich
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»Endlich mal nicht so eine Trutsche, wie du sie sonst immer heimgebracht hast. Ich muss nur an Caroline denken, die immer so blöd kicherte, und an Christel, die Missionsschwester in Indien werden wollte, und was wurde sie? Verkäuferin für Damenwäsche. Pah. Oder Helga, die nichts konnte als Doppelkopf spielen.«
    »Darin war sie aber gut!«, warf Onkel Hans ein.
    »Immerhin war sie mal Zweite der westfälischen Meisterschaften.«
    Und meine Mutter sagte: »Ja, sonst noch was.«
    Er fuhr uns zum Bahnhof, nachdem ich von allen Tieren gründlich Abschied genommen und sie gebeten hatte, mich nicht zu vergessen. Der Hahn war froh, nun wieder um fünf krähen zu dürfen, der Esel bedankte sich noch einmal dafür, dass er nicht mehr Erwin heißen musste, und Gürtelchen meckerte:
    »Komm wieder, kleine Käthe!« Aber Gertrud sagte:
    »Sonst noch wahahahahas.«
    Mein Onkel Hans und Roswitha Gansauge haben natürlich geheiratet und sind sehr glücklich geworden.
    Nur Bella und Gustavo konnten sich nie aneinander gewöhnen und jagten und kniffen sich, wo immer sie sich erwischten. Jahre später, als mein Onkel Hans schon tot war, denn er war sehr viel älter gewesen als Tante Roswitha, besuchte ich sie noch einmal auf dem kleinen Hof. Wir gingen zusammen zum Friedhof, und sie legte ein frisches Ei von Monika und etwas Wolle von den Schafen auf das Grab und erzählte dann alles, was zu Hause los war. Sie sprach von Igor, der taub geworden war, und vom Hund, der im Garten begraben lag, und auf seinem Grab blühte tatsächlich ein Aprikosenbäumchen, und das im rauhen Westerwald. Sie erzählte, dass Christel eine Karte aus Indien geschickt hatte und wirklich doch noch Missionsschwester geworden war und dass Helga endlich Erste geworden war bei den westfälischen Doppelkopfmeisterschaften. Sie sagte, dass Bella fast nur noch auf der Heizung läge und sich einbildete, sie sei eine ägyptische Tempelkatze, und dass die grün karierten Küchentücher jetzt endgültig durchgescheuert seien und dass sie rot karierte gekauft hätte. Ich hörte erstaunt zu, und sie erklärte mir: »Die Toten hören uns, wenn wir mit ihnen sprechen.«
    Ich glaubte ihr sofort. Sie hatte ja schon einmal Recht gehabt. »Aber antworten können sie leider nicht mehr«, sagte ich und musste ein bisschen weinen, weil ich Onkel Hans so lieb gehabt hatte.
    »Ach«, sagte Tante Roswitha, »wenn man ganz genau hinhört, antworten sie manchmal sogar.«
    Viele Jahre später stand ich am Grab meiner Mutter und versuchte, ihr von meinem Leben zu erzählen. Ich wusste, mein Leben würde ihr nicht gefallen, und als ich die Blumen ordnete, seufzte und mich umwandte, um zu gehen, war mir, als hörte ich ganz leise und streng: »Ja, sonst noch was.«

Sie legte ein frisches Ei von Monika und etwas Wolle von den Schafen auf das Grab.

Elke Heidenreich,
    geboren 1943, studierte Germanistik und Theaterwissenschaften und lebt heute mit ihrem Mann in Köln. Sie war viele Jahre lang freie Mitarbeiterin im Hörfunk und Fernsehen.
    Seit 15 Jahren hat sie in der Zeitschrift »Brigitte« eine eigene Kolumne. Sie ist Autorin zahlreicher Fernsehspiele und Serien. Und sie schreibt sehr erfolgreich Bücher, so die Erzählungen »Kolonien der Liebe« (1992). Bei Hanser erschienen zuletzt »Nero Corleone« (1995) und »Am Südpol, denkt man, ist es heiß« (1998), beide mit Bildern von Quint Buchholz.
    Bernd Pfarr, geboren 1958, hat einen Sohn und lebt mit seiner Frau in Frankfurt am Main und in Südfrankreich. Er studierte an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach und zeichnet seit 1978
    Cartoons für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften. Zuletzt malte er jede Woche ein Bild für das »Zeit-Magazin«. Er hat auch viele Bücher veröffentlicht und bei Hanser das Kinderbuch »Der weise Professor von Katastroff und sein Kater Attila«
    von John Saxby illustriert.
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