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Sonst noch Was

Sonst noch Was

Titel: Sonst noch Was
Autoren: Elke Heidenreich
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Freundinnen gewesen, mit Helga hat er nächtelang Doppelkopf gespielt! Na, der hat ja einen schönen Respekt vor Frauen, wenn er seine Hühner nach ihnen nennt…«
    Nach und nach waren noch mehr Tiere dazugekommen: ein Esel, ein Hund, eine Katze und zwei Ziegen. Die Ziegen hießen Gürtelchen und…
    aber den Namen der zweiten Ziege wollte mir Onkel Hans erst sagen, wenn ich in den Sommerferien persönlich käme; es gäbe dann übrigens jeden Tag Apfelpfannkuchen.
    »Und Gürtelchen«, schrieb er, »heißt so, weil sie braun ist und nur in der Mitte einen weißen Streifen hat. Eben wie ein Gürtelchen. Du wirst ja sehen.«
    »Nichts wirst du sehen«, sagte meine Mutter, »so weit kommt’s noch, jeden Tag Apfelpfannkuchen, den Schlawiner kenn ich.«
    Aber ich bettelte und quengelte und weinte, und dann verlegte ich mich auf meine stärkste Waffe, das Husten. Ich konnte prima husten, denn ich hatte immer was »mit den Bronchien«, und im Ruhrgebiet, wo ich wohnte, war nicht gerade die beste Luft für Kinder »mit Bronchien«.
    »Sie muss mal aufs Land«, sagte der Doktor, »gute Luft atmen, kennen Sie denn niemanden auf dem Land?«
    »Doch!«, rief ich, »mein Onkel Hans hat einen Bauernhof im Westerwald!«
    »Westerwald ist gut«, sagte Doktor Schmöcke, »da ist saubere Luft, da schicken Sie das Kind hin.«
    »Großer Gott«, sagte meine Mutter, »Bauernhof, sonst noch was! Mein Bruder hat irgend so eine Klitsche, ich bezweifle, ob das Kind da überhaupt ein vernünftiges Bett kriegt.«
    »Hast du ein Bett für das Kind?«, schrieb sie an Onkel Hans, und er antwortete: »Aber hallo! Unterm Dach ist ein Gästezimmerchen mit Bett, Schrank, Tisch und Stuhl, sogar ein Waschbecken ist da, falls Käthe sich mal waschen will, was ich nicht glaube.«
    »Allmächtiger!«, rief meine Mutter, und ich hustete, was das Zeug hielt. Irgendwann wirkte es. Sie seufzte, willigte ein, dass ich in den Westerwald fuhr und kaufte mir einen kleinen Koffer, einen Kulturbeutel mit einer neuen Zahnbürste, einer Tube Zahnpasta für mich allein, Nivea-Creme, Nivea-Seife und einer Haarbürste mit Tigermuster. Außerdem kaufte sie noch feste Schnürschuhe und einen Briefblock, weil ich immer schreiben und alles erzählen sollte.
    Und jetzt standen wir auf dem Bahnhof, ich hatte meinen roten Koffer dabei und eine Platzkarte für Wagen 65, Sitz 34.
    »Iss Salat«, sagte meine Mutter, »und Gemüse.
    Wenn er zu blöd ist, dir Salat und Gemüse zu geben, dann musst du selbst dafür sorgen, du weißt, wie man Salat anmacht, und Möhrchen in Butter dünsten kannst du auch.«
    Sie hatte mir die Telefonnummer unserer Bäckerei an der Ecke aufgeschrieben. »Wenn irgendwas ist, rufst du da an«, schärfte sie mir ein. Und ich dachte: Was soll denn sein? und sagte: »Ja, ist gut.«
    Endlich kam der Zug, ich konnte meine Mutter gerade noch davon abhalten, dem Schaffner zu sagen, wo ich aussteigen sollte. »Ich bin doch nicht blöd, Mama«, sagte ich. »Du hast es mir doch genau aufgeschrieben, alle Stationen, und dass ich um 16
    Uhr 23 ankomme, weiß ich auch.« Und ich zeigte ihr die große wasserdichte Armbanduhr, die mir Onkel Hans zum zehnten Geburtstag geschenkt hatte.
    »Also dann«, seufzte sie und schob mich in den Zug.
    »Wenn das nur gut geht, schreib, hörst du? Und wasch dich anständig. Und iss gesund! Und sieh zu, dass der Husten besser wird!«
    Ich stieg ein und winkte hinter der Tür.
    »Deinen Platz«, schrie sie, »such dir deinen Platz!«
    Mein Platz war in einem Abteil, in dem schon eine Frau saß. Sie sah freundlich aus, aber ein bisschen ärgerlich war ich doch – ich wäre lieber ganz allein gefahren. Ich winkte meiner Mutter noch mal zu, die hinter der Scheibe schrie: »Hast du die Fahrkarte?«
    Und da fuhr der Zug auch schon ab.
    Ich legte meinen kleinen Koffer neben mich auf einen Sitz und setzte mich ans Fenster. Die Frau sah mich aufmerksam an, lächelte und sagte: »Guten Tag.« Sie trug ein grünes Kleid mit weißen Blumen, und obwohl sie wirklich nett aussah, dachte ich: Wenn sie bloß jetzt nicht die ganze Zeit redet! Ich muss unbedingt nachdenken über Onkel Hans und die Tiere und muss mir alles ganz genau vorstellen, und darum sagte ich:
    »Guten Tag, ich heiße Katharina, ich bin elf Jahre alt, und ich fahre zu meinem Onkel Hans aufs Land.
    Ich bin ziemlich müde und mache deshalb jetzt meine Augen zu.«
    Und dann machte ich meine Augen zu und blinzelte nur mal ein bisschen zwischen den Wimpern hervor, wie die Frau
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