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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman
Autoren: Daniel Moor
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irischem Bier zurück. Wir stiessen an. Er blickte mir in die Augen und sagte dann: «Lange her seit unseren Skorpion-Tagen, was?»
    «Das Gleiche habe ich gerade heute auch gedacht, ja. Siehst du die Jungs noch ab und zu?»
    «Nein, eigentlich nicht. Aber sind ja sowieso fast keine mehr von uns Old timern übrig.»
    Wir starrten beide für einen Moment gedankenverloren in unsere Biergläser. Skorpion war die Interventionseinheit der Stadtpolizei, zusammengesetzt aus Polizeigrenadieren. Sie kam bei Geiselnahmen, bei der Stürmung von Wohnungen und beim Schutz von gefährdeten Personen zum Einsatz. Zu unserer Zeit war das eine nebenamtliche Tätigkeit gewesen, vollamtlich hatte man seine Zeit zum Beispiel als Kriminalpolizist oder Verkehrspolizist verbracht. Unterdessen hatte die Stadt allerdings ihre Truppe voll professionalisiert und damit unter anderem auch einen Generationenwechsel ausgelöst. Von unseren ehemaligen Kumpels waren nur noch wenige übrig. Die Anforderungen waren damals wie heute hoch, und üblicherweise waren die Mitglieder dieser Spezialeinheiten nur einige Jahre aktiv dabei. Steiner und ich hatten das Auswahlverfahren zur gleichen Zeit bestanden und auch zur gleichen Zeit wegen des Wechsels zur Kantonspolizei – kurz Kapo – den Austritt geben müssen. Ich war danach noch weitere drei Jahre bei der Einsatzgruppe Diamant gewesen, der als EGD bekannten Kapo-Eingreif trup pe, während Steiner als Konzession an seine mittlerweile fünfköpfige Familie beschlossen hatte, die Rambospiele sein zu lassen.
    «Genug Trübsal geblasen!» Ich klopfte Steiner auf die Schulter und rülpste herzhaft. Eine elegant gekleidete, dunkelhaarige Dame am Nebentisch starrte mich missbilligend an. Ich prostete ihr zu und forderte dann Steiner mit einer Handbewegung auf, mir das Neuste zu erzählen.
    Als Erstes klärte er mich wie immer über sein Familienleben auf. Er war bereits seit einer Ewigkeit mit seiner ein Jahr älteren Frau Angelica verheiratet und hatte drei Töchter im Alter zwischen neun und zwölf. Wieder einmal schmun zelte ich in wendig beim Gedanken, dass die Älteste wohl bald einmal ihren ersten Freund nach Hause bringen würde. Der arme Kerl. Wenn man im Lexikon unter ‹überfürsorglich › nachschlug, fand man ein Bild von Markus Steiner. Dagegen war ich geradezu harmlos.
    Nachdem ich solcherart ins Bild gesetzt worden war, erkundigte sich Markus seinerseits nach meiner elfjährigen Tochter. Gleichzeitig erwähnte er wieder einmal, dass ich und meine Exfrau Claudia für die Wahl ihres Namens ins Gefängnis gehörten. Das sagte er jedesmal, wenn die Sprache auf Niamh kam.
    Dass meine Tochter einen komplizierten irischen Namen trug, lag an meiner Familiengeschichte. Meine Grosseltern mütterlicherseits waren Iren, die in jungen Jahren in die Vereinigten Staaten ausgewandert waren, wo meine Mutter geboren wurde und aufwuchs. Nach der Heirat meiner Eltern waren meine Grosseltern auf die grüne Insel zurück ge kehrt, während meine Mutter meinem Vater in die Ostschweiz gefolgt war. Dessen ursprünglich holländische Herkunft hatte nie eine Rolle gespielt, aber unser irisches Erbe war während meiner Kindheit immer ein wichtiges Thema gewesen, und ich hatte bis zu meinem zwölften Lebens jahr jeden Sommer einige Wochen bei meinen Grosseltern in Galway verbracht. Die Scheidung meiner Eltern hatte diese Tradition vorerst beendet , da meine Mutter danach für einige Jahre mit uns nach Chicago gezogen war . Zurück in der Schweiz hatte ich nach und nach begonnen, mich wieder mit meinen irischen Wurzeln zu beschäftigen. Meine Exfrau Claudia, die mit Nachnamen sinniger weise Schweizer hiess und so wenig Irisch war wie Wilhelm Tell, hatte ich bei einem Irischkurs in Belfast getroffen. Es war mein letzter Sommer als Student gewesen. Kurz darauf hatte ich das Studium hingeschmissen und war zusammen mit Steiner, den ich aus der Offiziersschule kannte, in die Polizeischule eingetreten. Am Ende des Kurses war Claudia schwanger und wir wenig später verheiratet gewesen. Und obwohl sich das Irische nie in unseren Köpfen festsetzen konnte, hatten wir in einem Anflug ethnischen Überschwangs beschlos sen, unserer Tochter einen irischen Namen zu geben. Ausgesprochen wurde er ‹ Nív › , mit langem i , und er entsprach dem englischen Frauennamen ‹ Neeve › . Wegen der kompli zier ten Schreibweise hatte sich Niamh angewöhnt, in der Schule ihren Namen als ‹Niv › zu schreiben. Ich musste zugeben, dass wir es
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