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Song of the Slums

Song of the Slums

Titel: Song of the Slums
Autoren: Richard Harland
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herabziehen wollte.
    Dann sah sie, wie sich der Türknauf drehte. »Nein!«, schrie sie. »Bleib draußen!«
    Der Knauf drehte sich nicht weiter. »Soll ich sagen, dass Sie sich nicht wohlfühlen?«
    »Mach, was du willst«, fauchte sie zurück.
    Verrol ließ nichts mehr von sich hören, und Astor zog die Bettdecke fest um sich. Sie dachte an ihre Mutter, die längst wieder zuhause sein musste. Ob sie sich wohl alles noch einmal anders überlegen würde? Nein, vermutlich tröstete sie sich mit dem Gedanken, dass Astor sich in Lorrain und Lorrain sich in Astor verlieben würde. Lächerlich! Gestern hatte es schon nicht gestimmt, und heute war es geradezu unvorstellbar. Reiche Erben heirateten arme Hauslehrerinnen nur in romantischen Liebesromanen. Vermutlich las Mrs Dorrin gerade jetzt in einem ihrer geliebten rosarot eingebundenen Romane.
    Und ihr Stiefvater befand sich wahrscheinlich in seinem Studierzimmer und arbeitete an der Niederschrift seiner Memoiren oder der
Geschichte des Fünfzigjährigen Kriegs
oder der
Grundsätze militärischer Strategie
.
    Worum es bei dem ging, was er schrieb, war stets im Unklaren geblieben, abgesehen von der Tatsache natürlich, dass es ungeheuer wichtig war und er von niemandem gestört werden durfte. Astor hatte allerdings den Verdacht, dass er die meiste Zeit mit Zeitunglesen verbrachte.
    Um die Mittagszeit wurde die Tür zu Astors Zimmer geöffnet, und eine Frau trat hinein. Sie trug das übliche dunkle Kleid weiblicher Bediensteter, aber ihr Spitzenkragen und das gut geschnittene kurze Haar verrieten einen besonderen Status.
    »Ich bin Mrs Munnock«, verkündete sie. »Ich bin gekommen, um Ihnen mitzuteilen, wie die Dinge hier gehandhabt werden. Ihr Zimmer wird von einem Dienstmädchen saubergehalten, und Ihr Bett wird gemacht, aber für das Aufräumen sind Sie selbst verantwortlich. Der Waschraum und die Toilettenanlage befinden sich zwei Türen weiter nach links den Korridor hinunter. Sie müssen Ihre vornehme Kleidung ablegen, sie entspricht nicht mehr Ihrem Status. Die Kleidung der vorherigen Hauslehrerin hängt noch im Schrank.«
    Sie hatte nacheinander aufs Bett, den Korridor und den Schrank gezeigt, während sie die Information herunterratterte. Es schien ihr völlig gleichgültig, ob Astor irgendetwas mitbekam.
    »Frühstück ist um sieben, Mittagessen um zwölf und Abendessen um sechs Uhr. Als Hauslehrerin können Sie wählen, mit den Bediensteten zu speisen oder Ihr Essen auf Ihrem Zimmer einzunehmen.«
    »Mit den Bediensteten zu speisen?«
    »Ja, den Swale-Dienern. Und Ihrem eigenen natürlich auch.«
    »Verrol.«
    »Ist das sein Name? Verrol. Ja, eben der. Der wird uns noch Ärger machen, der junge Mann.«
    »Folgt er den Anordnungen nicht?«, fragte Astor.
    »Doch, doch – er tut, was man ihm sagt, aber er bringt die Dienstmädchen dazu, sich töricht zu verhalten. Sieht einfach zu gut aus, dieser junge Mann. Ich wusste es in dem Moment, als sie ihn erblickten. Nicht, dass er sie ermutigt, das nicht.« Die Frau zog die Stirn in Falten und schlug ihre Arme übereinander. »Wie auch immer. Mittagessen haben Sie verpasst. Abendessen ist um sechs Uhr.«
    »Stehe ich unter Ihrer Obhut?«
    »Indirekt schon.« Ihr ernster Gesichtsausdruck wurde weicher. »Hören Sie zu. Ich habe gehört, dass Sie recht unsanft in der echten Welt gelandet sind. Ich erlaube Ihnen, sich heute krank zu melden, aber nutzen Sie das nicht aus.«
    Sie drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum.
    Astors Magen signalisierte Hunger, aber das war ihr egal. Ebenso egal wie ihr zerzaustes Haar und ihre zerknitterte Kleidung. Sie würde einfach liegenbleiben, sollten doch die anderen sehen, wie sie das Problem lösten. Eine Stunde später tauchte Verrol auf. Er hatte zwar geklopft, war dann aber so schnell eingetreten, dass sie nicht mehr reagieren konnte. Er trug ein Tablett mit Speisen.
    »Reste vom Mittagessen«, sagte er.
    Astor drehte sich zur Wand. Verrol gab ein leises »So, so« von sich, und sie vernahm Tellergeklapper, als er das Tablett auf den Tisch stellte.
    »Machen Sie, was Sie wollen«, sagte er. »Es steht hier, falls Sie etwas möchten.«
    Sie wartete schweigend, bis er gegangen war. Sie hatte sowieso nicht vor, etwas zu essen.
    Der Nachmittag zog sich hin. Sie beobachtete, wie das Licht über die Wand wanderte und verblasste, als die Sonne unterging. Ihr Entschluss, nichts zu essen, verblasste ebenfalls, und schließlich stand sie auf. Auf dem Tablett fand sich ungebutterter
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