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Sommerrot

Sommerrot

Titel: Sommerrot
Autoren: Leah Moorfeld
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fuhren.
    « Weshalb finde ich in diesen Ordnern nicht die Steuererklärung für 2011?», schimpfte er ungehalten.
    « Weil sie ihr Vater zu sich geholt hatte, um sie nochmals durchzusehen», antwortete ich so ruhig wie möglich.
    « Ich erwarte von meinen Mitarbeiten, dass sie sich professionell kleiden, Frau Sommer! Weshalb zieht sich eine Laufmasche durch ihre Strumpfhose?»
    Ich schluckte und nur mit gro ßer Mühe gelang es mir, die Tränen zurück zu halten.
    « Ich komme mit dem Fahrrad und bin leider an einem Ast hängengeblieben!», antwortete ich leise.
    « Dies ist kein Gartenbaucenter, in dem die Mitarbeiter verschwitzt wie von einer Radtour antanzen können. Nehmen sie doch bitte das Auto.»
    Ich drehte den Kopf weg, damit er meine Tr änen nicht sehen konnte.
    « Haben sie nichts mehr dazu zu sagen?»
    Es war so weit! Der brodelnde Kessel in mir explodierte so unerwartet und gewaltig, dass Tino erschrocken einen Schritt zur ück trat, als ich wütend herumfuhr.
    « Was bilden sie sich eigentlich ein? Sie haben keinen blassen Schimmer, was in dieser Firma abgeht, aber spielen sich als allwissenden Chef vor mir auf! Terratec hat weiß Gott andere Probleme, als eine Laufmasche in meiner Strumpfhose. Und jetzt lassen sie mich endlich meine eigentliche Arbeit erledigen. Ich habe wichtige Termine umzulegen, verunsicherte Kunden zu beruhigen und die Kontakte zu ihren Geschäftspartnern am Laufen zu halten.»
    Meine weit aufgerissenen Augen sendeten ihm so gewaltige Blitze entgegen, dass er sich wortlos umdrehte und im B üro seines Vaters verschwand, aber nicht, ohne die Tür mit aller Kraft hinter sich zuzuschlagen, sodass der ganze Raum erbebte. Das war gestern gewesen. Die drei Tage Hölle hatten mich so geschwächt, dass ich mich heute einfach nicht mehr überwinden konnte, ihm nochmals unter die Augen zu treten. Sein hasserfülltes Verhalten verletzte mich um ein vielfaches mehr, weil ich ihn zu Beginn von genau der entgegengesetzten Seite kennengelernt hatte. Seine Zärtlichkeit, die tiefen Blicke, das Gefühl unendlich begehrt zu werden, war einem unerklärlichen und vollkommen übersteigerten Hass gewichen.
    Dieses mal schreckt mich ein Klingeln an der Haust ür aus meinen Gedanken. Ich blinzle durch den Spion, aber es ist niemand zu sehen. Vielleicht ein Kinderstreich! Als ich mich umdrehe, fällt mir ein Briefumschlag in die Augen, den jemand unter der Tür hindurchgeschoben hat. Ich ziehe zwei identische Blätter mit dem Firmenlogo der Firma Terratec heraus. Darauf steht:
    « Sehr geehrte Frau Sommer,
    hiermit m öchte ich mich in aller Form für mein unprofessionelles Verhalten entschuldigen. Ich biete Ihnen einen Deal an, für den Fall, dass Sie sich doch noch entschließen können, ihre Arbeitskraft der Firma Terratec zur Verfügung zu stellen.
    Ich verpflichte mich ab sofort, mich Ihnen gegen über absolut professionell zu verhalten. Das heißt, ich werde Sie weder anschreien, beleidigen oder Ihnen auf eine Art zu nahe treten, die Ihnen unangenehm sein könnte. Ferner verspreche ich, Sie in Ihrer Arbeit zu unterstützen, so weit es in meiner Macht steht. Sollte ich mich nur ein einziges Mal nicht an unsere Abmachung halten, steht es Ihnen frei, die Firma verlassen - unter vollen Gehaltsbezügen für die Dauer von sechs Monaten. Außerdem wird Ihnen in diesem Fall eine Abfindung in der Höhe von drei Monatsgehältern mit sofortiger Wirkung ausbezahlt.
     
    Mit freundlichen Grüßen,
     
    Tino Angelus
     
    Geschäftsführer und Inhaber der Firma Terratec GmbH»
     
    An den Stempeln erkenne ich, dass das Schreiben notariell beglaubigt wurde. Ich lasse mich auf den Sessel im Wohnzimmer fallen und lese den Brief noch einmal Zeile für Zeile durch. Die Worte 'Unprofessionelles Verhalten' springen mir in die Augen – das trifft es nicht ganz, würde ich sagen – 'unverschämt', 'erniedrigend' und 'demütigend' wären die passenderen Adjektive. So unentbehrlich bin ich also in der Firma, dass Tino sich trotz seines Hasses zu diesem Schreiben durchgerungen hatte. Das Angebot kam keiner Versöhnung gleich, eher einem Waffenstillstand, aber wie dem auch sei, wenn ich es annehme, kann ich im Prinzip nur gewinnen. Mein Entschluss, Tino nicht mehr wieder zu sehen, gerät mit einem male ins Wanken. Aber so leicht würde ich es ihm nicht machen. Eine Weile werde ich ihn noch schmoren lassen. Als das Telefon klingelt und die Nummer von Tinos Büro aufleuchtet, drücke ich ihn weg. Ha, mal sehen, wie wichtig es
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