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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition)
Autoren: Tom Liehr
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urinieren. Etwas klapperte, Markowski fluchte erst leise und dann lauter: »Kapitalistische Scheißkrücke!« Beinahe hätte ich gelacht.
    Ich bemerkte eine Bewegung und sah Sonja am Gartenzaun stehen, blass wie weißer Frühlingsflieder, mit zusammengepressten Lippen. Wahrscheinlich zitterte sie stark, weshalb es ihr auch nicht sofort gelang, den Riegel zu öffnen.
    Markowski schimpfte erneut.
    Ich hob die Hände. »Bleib weg!«, rief ich und ging rasch zu ihr.
    »Ich will ihn sehen«, sagte sie, mit brechender Stimme, als ich vor ihr stand.
    »Nein. Das willst du nicht.« Ich öffnete das Türchen und schob mich so nach draußen, dass sie nicht an mir vorbeikonnte. »Es hat keinen Sinn.« Dabei nahm ich sie an der Hand und versuchte, sie vom Grundstück wegzuziehen.
    Aber Markowski hatte seine Krücke doch noch in den Griff bekommen. Sonja erstarrte. Er stand in der Tür der Laube, leicht schaukelnd, und sah zu uns herüber. Das längere Hosenbein schimmerte dunkelfeucht, er nestelte mit einer Hand am Reißverschluss herum, hielt sich mit der anderen am Türrahmen fest und fixierte gleichzeitig meine Schwester. Plötzlich hustete Markowski, schwer und keuchend, fiel dabei fast um. Ich war tatsächlich kurz versucht, zu ihm zu eilen, ihn zu stützen und ihm zu helfen.
    Und dann lächelte Sonja. Es war kein befreites Lächeln, kein
    Strahlen, das von einem Augenblick zum anderen ihr Gesicht veränderte, aber sie lächelte. Anschließend nickte sie, auch in Markowskis Richtung, und zog mich fort.
    »Du hast recht«, sagte sie. »Es hat keinen Sinn.«
    Hatte es doch, irgendwie, fand ich jetzt. Und lächelte schließlich auch.

Goldküste
     
    »Ich bin zweiundsechzig«, sagte György Rákosi, mein Manager, Freund und schon lange auch ein gefühltes Familienmitglied. Wir saßen an der Mole von Heringsdorf und sahen einem Kreuzfahrtschiff dabei zu, wie es vor der niedrig stehenden Sonne den Horizont querte. Was er sagte, war mehr als eine Mitteilung, eher eine Feststellung, der sich eine Folgerung anschließen würde. Er hatte das mit einem bedauernden, jedoch auch fröhlich-nostalgischen Unterton ausgesprochen. Aber Abschied schwang mit, natürlich.
    »Ich will nach Hause, nach Ungarn«, ergänzte er, etwas leiser. »Es wird Zeit. Und davon habe ich nicht mehr so schrecklich viel.«
    Ich nahm ein Stück Holz, das nach nicht weniger als der ganzen Welt roch, und warf es ins Wasser.
    »Ist schon okay, mein Freund«, sagte ich.
    Er schniefte, ein bisschen übertrieben. »Ich werde dich vermissen.«
    »Und ich werde dich besuchen. Häufiger, als dir lieb ist.« »Das ist technisch unmöglich, selbst wenn du täglich kommen solltest.«
    »Du kannst mich jederzeit anrufen, rund um die Uhr, wann immer du willst«, behauptete ich.
    György zwinkerte. »Das könnte ich, wenn du dir endlich ein Handy kaufen würdest.«
    »Für dich tue ich das vielleicht sogar.«
    Er lachte befreit. Ich hatte längst geahnt, dass er genug hatte – im Sinn des Wortes. Es gab nichts, das er noch erreichen konnte, und meine Karriere fußte zu einem Gutteil auf derTatsache, dass ich an jenem Abend in Marburg die Geduld aufgebracht hatte, ihm zuzuhören. Ich war ihm ewig dankbar, und dasselbe galt sicher auch umgekehrt. Wenn er nach Ungarn zurückkehrte, würde er dort zu den wohlhabenderen Menschen gehören.
    »Wir hatten eine fantastische Zeit«, sagte er melancholisch.
    Ich nickte nur und beobachtete das treibende Holz.
    »Vielleicht werde ich die Entscheidung schon bereuen, wenn ich mein Haus möbliere. Aber irgendwann muss es sein.«
    Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Lass gut sein, György. Du musst dich nicht entschuldigen. Es ist absolut in Ordnung. Ich werde vermutlich nur noch Knebelverträge unterschreiben und innerhalb weniger Wochen völlig verarmen, aber …«
    Er unterbrach mich mit einem freundschaftlichen Boxhieb gegen die Brust. »Mach mir nicht auch noch ein schlechtes Gewissen. Das habe ich sowieso schon.«
    »Musst du nicht. Veränderungen sind gut. Ich habe sowieso überlegt, die Volksmusikschiene zu bedienen. Da ist gutes Geld zu machen.«
    Er sprang auf. »Wenn ich dich nicht besser kennen würde, müsste ich dich dann eigenhändig von der Bühne prügeln, das weißt du, oder?« Dann umarmte er mich. »Bleib Martin Gold,
bitte
. Nur das musst du mir versprechen.«
    »Versprochen.«
    Karen setzte sich zu uns, sie trug Flipflops, Shorts und ein Shirt von meiner letzten Tour. Sie nahm meine Hand und sah aufs Meer.
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