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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition)
Autoren: Scott Nicholson
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Präsidenten darin spiegelte.
    »Willkommen, Agent Eakins«, sagte der Präsident in seinem breiten texanischen Dialekt und stand auf. »Die Vereinigten Staaten von Amerika sind Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet oder irgendsowas, Alter!«
    Der Präsident reichte Alex seine Hand über den Schreibtisch hinweg und schüttelte sie. Es gab nur eines zu sagen. Und Alex sagte es.
    »Wählen Sie liberal, Sie wieseläugiges Arschgesicht.«
    Er erwachte aus dem Alptraum und merkte, dass er immer noch auf dem Baum saß. Seine Arme hatte er um einen Ast geschlungen, die Kalaschnikow an seiner Seite war kalt. Die Sonne schob langsam ihren orangefarbenen Arsch über den Horizont. Blauhäher krächzten in den Bäumen, Zaunkönige zwitscherten. Sonst war im Wald nichts zu hören außer dem leisen Rascheln des Windes in den welkenden Blättern.
    Der Alte Zausel war verschwunden. Der Vogelscheuchen-Typ lag in einer Blutlache in der Mitte der Felsplatte. Rund um die Lichtung standen noch immer mehrere Autos. Ihre Lichter leuchteten schwach wie riesige Kürbisaugen.
    Unter ihm lagen braun-weiße Klumpen. Tote Ziegen. Irgendwann während des Massakers der vergangenen Nacht mussten die Schutzkräfte der Viecher nachgelassen haben. Ein Beweis, dass selbst die Allmacht der Regierung nicht unfehlbar war.
    Außerdem lag auf dem aufgewühlten Boden ein Dutzend Leichen. Ihre Kleidung war feucht vom Morgentau. Einige hatten sichtbare Verwundungen, doch Alex konnte nicht sagen, ob diese vom Feuer aus den eigenen Reihen oder von den Klauen mutierter Ziegen stammten.
    So wie er es beurteilte, hatten die Verfassungsschützer hier ein kleines Massaker veranstaltet und ein paar Unschuldige umgelegt. Dann waren sie ohne sich zu entschuldigen wieder nach Washington abgezogen. Sollte doch jemand anderes das Chaos hier beseitigen.
    Komischerweise fand er den Anblick beruhigend. Das hier war die Wirklichkeit. Damit konnte er umgehen. Solange man ihn nicht in irgendeinen Regierungsbunker steckte, war ihm alles egal.
    Er griff in die Tasche, drehte sich einen Joint und zündete ihn an. Und während er den blauen Rauch genussvoll in sich einsog, dachte er an das alte Sprichwort, dass man Rache am besten kalt genießen sollte.
    Alex schmeckte sie so oder so.

 
     
     
    58. KAPITEL
     
    Arvel Ward öffnete die Kellertür. Er hatte eine schlaflose Nacht hier unten verbracht. An der Decke leuchtete eine einsame Glühbirne, der Boden roch nach Erde, und in den Regalen türmten sich Einweckgläser mit Marmelade und eingelegten Okraschoten. Als die ersten Lichtstrahlen durch die schmalen Fenster unter der Kellerdecke einfielen, durchströmte ihn ein warmer Gedanke und vertrieb die herbstliche Kälte aus seinem Herzen.
    Er lebte.
    Vielleicht war der Wanderprediger ja die Treppe hochgegangen und hatte Betsy geholt, so wie er auch seinen Bruder Zeke vor vielen Jahren mitgenommen hatte. Aber Arvel hatte es wieder einmal geschafft. Nun war er sicher bis zur nächsten Runde des Predigers, und mit ein bisschen Glück und Gottes Gnaden hatte er es bis dahin vielleicht schon auf natürliche Weise ins Grab geschafft. Der Schlaf bei den Würmern erschien ihm als verlockende Aussicht. Doch bis dahin musste er noch über die Runden kommen, ein redliches Leben führen und eine weiße Weste behalten.
    Arvel ging ins Wohnzimmer. Als er letzte Nacht in sein Versteck hinabgestiegen war, hatte er seinen Kautabak hier vergessen, und er spürte ein starkes Verlangen danach. Mit zitternden Fingern öffnete er die Verpackung und schob sich den Priem in den Mund. Das Nikotin durchströmte ihn mit süßer Kraft.
    Als er den Priem gerade runterschlucken wollte, sah er den Prediger auf dem Sofa sitzen. Über der Lehne hing eine von Betsy gestrickte Decke. Inmitten dieser häuslichen Ordnung und all der fein säuberlich aufgereihten Kissen wirkte der Wanderprediger noch mehr wie ein Eindringling.
    »Du hast wohl keinen Besuch erwartet?«, fragte der Wanderprediger und tippte mit dem Daumen an die breite Krempe seines schwarzen Hutes. Der Alte roch nach verdorbenem Fleisch und verrotteten Kleidern. Unter seinen Fingernägeln klebte der Dreck, als ob er sich gerade aus dem Grab herausgebuddelt hätte. Aus dieser kurzen Entfernung konnte Arvel sogar die Löcher in seinem wollenen Anzug erkennen. Darunter war kein Fleisch, sondern nur eine gähnende Leere, die sich ins Unendliche erstreckte wie ein ewiger Alptraum.
    Arvel spuckte den Tabak aus, doch durch das unfreiwillige Schlucken floss ein
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