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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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Nationalen Volksarmee gedient. In ihren Unterhaltungen zollten sie den Fallschirmjägern, die international als Eliteeinheit ausgebildet werden, immer sehr viel Respekt. Dort wären die besten Soldaten anzutreffen, denke ich. Wenn ich es mir also schon aussuchen kann, will ich selbstverständlich diesem besonderen Kreis angehören. Ich entscheide mich für eine Ausbildung zum Fallschirmjäger.
    Am frühen Morgen des 4. Mai 1998, 21 Tage vor meinem zwanzigsten Geburtstag, ist es so weit. Der Kofferraum meines alten, silbernen Ford Sierra ist bis obenhin mit Kleidung und Dingen gefüllt, von denen ich denke, dass sie mir nützlich sein werden, denn meinem Vater zufolge würde ich die nächsten sechs Monate keine Gelegenheit haben, nach Hause zu fahren. Meine Mutter und meine beiden Schwestern umarmen und drücken mich, verabschieden sich tränenreich. Im Hintergrund läuft das Lied »Time to Say Goodbye«. So viel Dramatik ist zu viel für mich. Ich fühle mich schrecklich und steige ganz schnell in mein Auto. Bis zehn Uhr muss ich mich in der Kaserne in Varel einfinden. Nahe dem Ziel überhole ich einige Militär-Lkw. Auf der Ladefläche sitzen unglücklich dreinschauende junge Männer in Zivil unter der geöffneten Plane, die einen sehnsüchtigen Blick auf die hinter ihnen liegende Freiheit zu werfen scheinen. Acht Mann sitzen dort jeweils Rücken an Rücken auf einer schmalen, ungepolsterten Holzbank, die mittig längs der Ladefläche aufmontiert ist. Der Fahrtwind pfeift ihnen offensichtlich kalt unter die Plane. Wie einer von ihnen mir später erzählte, waren sie mit dem Zug angekommen und an dem kleinen Bahnhof nahe der Kaserne von grimmigen, wortkargen Soldaten des Fallschirmjägerbataillons 313 erwartet worden. Bei dem Anblick bin ich froh, noch in meinem warmen Auto sitzen zu können.
    Am Kasernentor ist meine Schonzeit allerdings vorbei. Durch den hastigen Aufbruch bei meinen Eltern habe ich meinen Einberufungsbescheid auf dem Küchentisch liegen lassen. »Sie haben was …?«, ranzt mich der Wachsoldat an. »Sie haben Ihre Einberufung liegen lassen? Gewöhnen Sie sich so eine Scheiße hier ganz schnell ab, ansonsten kann ich Ihnen jetzt schon versprechen, dass Ihnen hier der Arsch hochgebunden wird!« Ich bin völlig perplex. Dass ich wegen des fehlenden Bescheids gleich so zusammengeschissen werde, hatte ich nicht erwartet. Eingeschüchtert und etwas betreten fahre ich über das Kasernengelände zum Parkplatz für die Neuankömmlinge. Auf keinen Fall will ich sofort den Ärger auf mich ziehen und wie in dem Film »Full Metal Jacket« zum »Private Paula« werden, der ständig schikaniert wird. Der Kasernenblock, in dem ich mich melden soll, liegt dem Parkplatz genau gegenüber. Es ist ein rotes Backsteingebäude, dem Erscheinungsbild nach zu urteilen wurde es zwischen den beiden Weltkriegen erbaut. Der Grundriss gleicht einem H. Die Gebäudeflügel umfassen somit zu beiden Seiten der Querverbindung eine freie Fläche U-förmig.
    Eine dieser Flächen ist gepflastert. Dort stehen bereits einige junge Männer, die von vorbeikommenden Soldaten kritisch beobachtet werden. Wer mit einem freundlichen Empfang gerechnet hatte, sollte enttäuscht werden. Ein Soldat steht ihnen gegenüber und gibt mir die Anweisung, mich zu den anderen zu stellen. Wir stehen alle in einer Linie nebeneinander. Hinter jedem von uns liegt sauber abgelegt unser Gepäck. Der hünenhafte, muskelbepackte Soldat steht wie eine Statue da. Die Füße schulterbreit auseinandergestellt, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Ein bordeauxrotes Barett bedeckt eng anliegend seinen kurz geschorenen Schädel. Die aufeinandergepressten Lippen sind von einem dünn ausrasierten Bart umschlossen. »Reufer« ist auf dem Namensschild auf seiner Brust zu lesen. Keine Sekunde lang lässt er uns aus den Augen, bereit, jeden, der sich rührt oder seinem Nebenmann etwas zuraunen will, in die Schranken zu weisen. In einer Hand hält er einen Zettel und als sich zwanzig Minuten später eine Gruppe von acht Neuankömmlingen vor ihm versammelt hat, sagt er ganz schlicht: »Wenn Sie Ihren Namen hören, dann antworten Sie laut und vernehmlich mit ›Hier!‹. Danach nehmen Sie Ihre Gepäckstücke auf und gehen ins Gebäude. Dort wird Ihnen vom UvD die Stube zugewiesen. Legen Sie Ihr Geraffel dort ab und finden Sie sich danach sofort wieder im Lichthof ein!«
    Das ist also der Lichthof, denke ich. Und obwohl ich den Rest nicht so ganz verstanden habe, frage ich
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