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Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen
Autoren: Kristin Harmel
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schlechte Neuigkeiten gewöhnt habe. Die Krebserkrankung meiner Mutter. Die Demenz meiner Großmutter. Die Tatsache, dass mein Ehemann beschlossen hat, nicht länger mein Ehemann sein zu wollen. Daher bin ich verblüfft, als ich Matt sagen höre: »Wie geht’s Annie?«
    Ich mustere ihn genau, und auf einmal rast mein Herz, während ich mich frage, ob er irgendetwas weiß, das ich nicht weiß. »Warum? Was ist passiert?«
    »Es war nur eine Frage«, beeilt sich Matt zu sagen. »Ich wollte nur nett sein. Smalltalk machen.«
    »Oh«, sage ich, erleichtert, dass er nicht als Bote irgendwelcher schlechten Nachrichten gekommen ist. Es hätte mich nicht gewundert zu hören, dass meine Tochter bei irgendwelchen Dummheiten erwischt worden ist, dass sie einen Ladendiebstahl begangen oder ihre Schule mit Farbe besprüht hat. Sie ist anders, seit ihr Vater und ich uns getrennt haben: reizbar, nervös und wütend. Mehr als einmal habe ich mit schlechtem Gewissen ihr Zimmer durchsucht. Ich dachte, ich würde Zigaretten oder Drogen finden, aber bis jetzt ist der einzige Hinweis auf die Veränderung an meiner Annie ihre extrem gereizte Art. »Entschuldige«, sage ich zu Matt. »Ich warte ständig darauf, dass wieder irgendetwas schiefgeht.«
    Er wendet den Blick ab. »Wollen wir heute Abend vielleicht essen gehen?«, fragt er. »Nur du und ich. Annie wird wieder bei Rob sein, oder?«
    Ich nicke. Mein Ex und ich teilen uns das Sorgerecht zu gleichen Teilen, ein Arrangement, mit dem ich nicht sehr glücklich bin, da ich finde, dass Annies Leben dadurch an Stabilität verliert. »Ich weiß nicht, Matt«, sage ich. »Ich denke nur …« Ich suche nach Worten, die ihn nicht verletzen werden. »Ich denke, vielleicht ist es zu früh, weißt du? Die Scheidung ist noch nicht lange her, und Annie hat schwer damit zu kämpfen. Ich denke, es ist besser, wenn wir einfach …«
    »Es ist nur ein Abendessen, Hope«, unterbricht mich Matt. »Ich mache dir keinen Antrag.«
    Auf einmal glühen meine Wangen. »Natürlich nicht«, murmele ich.
    Er lacht und nimmt meine beiden Hände. »Bleib entspannt, Hope.« Als ich zögere, lächelt er leise und fügt hinzu: »Du musst etwas essen. Also, wie wär’s?«
    »Ja, okay«, sage ich, und in genau diesem Augenblick schwingt die Ladentür der Bäckerei auf, und Annie kommt herein, ihren Rucksack über eine Schulter geschlungen, mit einer dunklen Sonnenbrille, obwohl es draußen noch nicht einmal hell ist. Sie bleibt stehen und starrt uns einen Moment an, und ich weiß sofort, was sie denkt. Ich entziehe meine Hände Matts Griff, aber es ist zu spät.
    »Na toll«, sagt sie. Sie reißt sich die Sonnenbrille herunter und wirft ihr langes, gewelltes, aschblondes Haar über eine Schulter zurück, während sie uns so wütend ansieht, dass ihre dunkelgrauen Augen noch wilder funkeln als sonst. »Hättet ihr zwei jetzt etwa, na ja, angefangen zu knutschen, wenn ich nicht gekommen wäre?«
    »Annie.« Ich stehe auf. »Es ist nicht, wonach es aussieht.«
    »Egal«, murmelt sie. Ihr neues Lieblingswort.
    »Sei nicht unhöflich zu Matt«, ermahne ich sie.
    »E- gal «, sagt sie noch einmal, wobei sie diesmal zur Betonung die Augen verdreht. »Ich gehe nach hinten. Damit ihr damit weitermachen könnt, was ihr grade macht.«
    Ich sehe ihr hilflos nach, wie sie durch die Schwingtür in die Backstube stürmt. Ich höre, wie sie ihren Rucksack auf die Arbeitsplatte wirft, wie die Edelstahlschüsseln, die ich dort gestapelt aufbewahre, von seiner Wucht scheppern, und ich zucke zusammen.
    »Entschuldige.« Ich wende mich wieder zu Matt um. Er starrt in die Richtung, in die Annie verschwunden ist.
    »Sie ist schon etwas Besonderes«, sagt er.
    Ich zwinge mich zu einem Lachen. »Kinder.«
    »Offen gestanden, ist es mir ein Rätsel, wie du das aushältst.«
    Ich lächele ihn knapp an. Ich darf ärgerlich auf meine Tochter sein, aber er nicht. »Sie macht nur eine schwierige Phase durch«, sage ich. Ich stehe auf und werfe einen Blick zur Backstube. »Die Scheidung war nicht leicht für sie. Und du weißt doch selbst noch, wie es in der siebten Klasse ist. Das ist nicht unbedingt das leichteste Jahr.«
    Matt erhebt sich ebenfalls. »Aber wie du sie mit dir reden lässt …«
    Irgendetwas in meinem Magen verkrampft sich. »Mach’s gut, Matt«, sage ich und beiße die Zähne so fest zusammen, dass es wehtut. Bevor er etwas erwidern kann, wende ich mich ab in Richtung Backstube und hoffe, dass er meinen Wink zu gehen
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