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Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen
Autoren: Kristin Harmel
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sind, genau wie Mamies, ungleichmäßig grau, meine dagegen von einem ungewöhnlichen, golden gesprenkelten Meergrün. Als ich jünger war, sagte Mamie oft zu mir, ihr Aussehen – alles bis auf die Augen – hätte eine Generation übersprungen und sich bei mir niedergeschlagen. Während meine Mutter mit ihren dunkelbraunen, glatten Haaren und braunen Augen eher meinem Großvater ähnelte, bin ich Mamie nach einigen der alten Fotografien, die ich von ihr gesehen habe, wie aus dem Gesicht geschnitten. Ihre Augen, fand ich früher, blickten auf diesen alten Fotos stets traurig, und jetzt, wo sich in meinen die Schwere des Lebens spiegelt, sehen wir uns ähnlicher denn je. Meine stark geschwungenen Lippen – »wie eine Engelsharfe«, pflegte Mamie oft zu sagen – sind genau wie ihre in ihren jüngeren Jahren, und irgendwie hatte ich das Glück, ihren zarten Teint zu erben. In den letzten Monaten habe ich jedoch eine ungewohnte senkrechte Falte zwischen den Augenbrauen bekommen, die mich ständig besorgt aussehen lässt. Allerdings bin ich heutzutage tatsächlich ständig besorgt.
    Die Türglocke klingelt, ich zucke zusammen und fahre mir ein letztes Mal mit der Bürste durchs Haar und dann, nach genauerem Überlegen, noch einmal mit einer Hand, um es wieder zu zerzausen. Ich will nicht so aussehen, als hätte ich mir für heute Abend Mühe gegeben. Ich will nicht, dass Matt sich irgendwelche Hoffnungen macht.
    Einen Augenblick später öffne ich die Haustür, und als Matt sich vorbeugt, um mir einen Kuss zu geben, drehe ich mich leicht zur Seite, sodass seine Lippen auf meiner rechten Wange landen. Ich kann das Eau de Cologne an seinem Nacken riechen, moschusartig und herb. Er trägt eine tadellose Khakihose, ein hellblaues Hemd mit einem teuer aussehenden Emblem, das ich nicht kenne, und elegante braune Halbschuhe.
    »Ich kann mich noch umziehen«, sage ich. Auf einmal fühle ich mich schmucklos, schlicht.
    Er mustert mich kurz. »Du siehst hübsch aus in diesem Pullover«, sagt er. »Du kannst so gehen, wie du bist.«
    Er führt mich ins Fratanelli’s aus, ein gehobenes italienisches Lokal im Marschland. Ich versuche zu ignorieren, wie der Oberkellner einen nicht gerade dezenten Blick auf mein Outfit wirft, bevor er uns zu einem von Kerzen erhellten Tisch am Fenster führt.
    »Hier ist es zu fein, Matt«, sage ich, sobald wir allein sind. Ich sehe durchs Fenster in die Dunkelheit, und dabei fange ich unser Spiegelbild in der Scheibe auf. Wir sehen wie ein Paar aus, ein schönes Paar, und bei diesem Gedanken wende ich den Blick rasch ab.
    »Ich weiß doch, dass es dir hier gefällt«, sagt Matt. »Weißt du noch? Hierher sind wir vor dem Schulabschlussball gegangen.«
    Ich lache kopfschüttelnd. »Das hatte ich ganz vergessen.« Ehrlich gesagt, habe ich eine ganze Menge vergessen. Ich habe lange versucht, vor der Vergangenheit davonzulaufen, aber was sagt es über mich aus, dass ich fast zwanzig Jahre später mit demselben Typen in demselben Restaurant sitze? Offenbar kann die eigene Geschichte nur für begrenzte Zeit verschwinden. Ich verscheuche den Gedanken und sehe Matt an. »Du hast gesagt, du wolltest über etwas reden.«
    Er blickt auf seine Speisekarte. »Lass uns erst bestellen.«
    Wir wählen schweigend unser Essen aus; Matt nimmt den Hummer, und ich die Spaghetti bolognese, das preiswerteste Gericht auf der Karte. Später werde ich anbieten, mein Essen selbst zu bezahlen, und wenn Matt ablehnt, werde ich ihn wenigstens kein Vermögen kosten. Ich will mich ihm gegenüber nicht verpflichtet fühlen. Nachdem wir bestellt haben, holt Matt einmal tief Luft und sieht mich an. Er ist im Begriff zu sprechen, aber ich schneide ihm das Wort ab, bevor er sich selbst in Verlegenheit bringen kann.
    »Matt, du weißt, dass ich große Stücke auf dich halte«, beginne ich.
    »Hope …«, unterbricht er mich, aber ich hebe eine Hand.
    »Lass mich ausreden«, platze ich heraus, wobei die Worte immer schneller aus mir hervorsprudeln. »Ich weiß, wir haben so vieles gemeinsam, und natürlich haben wir diese ganze gemeinsame Vergangenheit, die mir viel bedeutet. Aber was ich dir heute Morgen zu sagen versucht habe, ist, dass ich nicht glaube, dass ich im Augenblick bereit bin, mit irgendjemandem eine Beziehung einzugehen. Ich glaube nicht, dass ich dazu bereit sein werde, bevor Annie aufs College geht, und bis dahin ist es noch sehr lange.«
    »Hope …«
    Ich ignoriere ihn, weil ich die Worte loswerden muss. »Matt, ich
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