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Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes

Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
Autoren: Lara Wegner
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in seiner unmittelbaren Nähe.
    Wieder sah er zu Selene auf. Verhüllt von ihrem Flammenhaar zielte sie mit Pfeil und Bogen auf ihn. Die perfekte Jägerin. Jede Lamia war eine Mörderin, und kein Vampir suchte die Nähe zu den weiblichen Vertretern seines Volkes. Unter ihnen war Selene nicht nur diejenige, die ob ihrer Herkunft und ihres Alters verehrt wurde. Sie war auch diejenige, die alle ohne Ausnahme fürchteten.
    „Oh Gott“, stöhnte er leise hervor.
    Den Glauben der Sterblichen an einen einzigen, allmächtigen Gott teilte er nicht. Die Redewendung kam ihm beim Anblick seiner Mutter unwillkürlich über die Lippen. Seit drei Jahrhunderten hatte er sie nicht gesehen. Zerstritten waren sie nicht, lediglich uneins in vielen Dingen. Selene hatte sich nie um die Gesetze geschert, die er erlassen hatte. Alle anderen Lamia folgten ihrem Vorbild und töteten weiter fröhlich ihre Quellen. Gelegentlich auch ihresgleichen. Einzig ihren Nachkommen fühlte sich eine Lamia verbunden. Somit würde Selene sich auf seine Seite stellen. Sie konnte nicht anders, es lag ihr im Blut. Er musste sie lediglich aufsuchen, sie einweihen und wäre unangreifbar. Ein Wort von ihr, ein Blick in ihr Gesicht, zwang jeden in die Knie. Allerdings war Vorsicht geboten. Im besten Fall würde Selene Drohungen gegen diejenigen ausstoßen, die an der Position ihres Sohnes kratzten. Im schlimmsten Fall konnte sie zu der Ansicht gelangen, ihrem Sohn sei mit einem persönlichen Feldzug gegen alle Widersacher am ehesten geholfen. Bei einer Lamia war stets mit dem schlimmsten Fall zu rechnen.
    „Also, dann ist es wohl Rom“, murrte er und trottete ohne großen Elan in seine Zimmer.
    Noch heute Nacht würde er aufbrechen. Was für ein Dilemma. Paris und sein Revier zu verlassen schmeckte ihm nicht. Ein Vampir verließ das einmal eroberte Territorium nur unter Einwirkung von Gewalt. Reisen waren nicht vorgesehen. Sie bedeuteten Verzicht. Allein der Gedanke, sich vor Tagesanbruch in Gruften, vielleicht sogar Höhlen vor dem Licht verbergen zu müssen, jagte ihm einen Schauder ein. Feucht würde es sein. Unbehaglich. Ein besserer Gedanke kam ihm in den Sinn. In einer Kutsche konnte er bei Tag und Nacht reisen. Noch immer unbequem, aber er musste sich nirgends lange aufhalten.
    „Aymar. Aymar!“
    Sein Ruf nach seinem Gefolgsmann, dem langlebigen Sterblichen Aymar de Saint-Germain blieb unbeantwortet. Der wendige Höfling hatte sich selbst den Titel eines Comte verliehen und tätigte Micas weltliche Geschäfte. Vermutlich drückte Aymar sich in Versailles herum, glänzte durch seine Fingerfertigkeit und tischte dem Hofstaat neue Lügen auf. Wollte Mica nicht auf seine Rückkehr warten, musste er eigenhändig packen.
    Die Suche nach einer Reisetasche strapazierte seine Geduld. Laut knallte er mit den Schranktüren und Schubladen in seinem Ankleidezimmer. Wo waren all die hilfreichen Hände, wenn er sie einmal brauchte? Immerhin, die Reisetasche tauchte auf. Benutzt hatte er sie noch nicht. Wozu auch? In der Behaglichkeit seines Hauses brauchte er das sperrige Ding schließlich nicht. Er hatte nie vorgehabt, über Landstraßen zu holpern auf der Suche nach abstrusen Abenteuern.
    Sein Rumoren rief Agathe auf den Plan. Sie war die Köchin eines ganzen Heeres von Dienstboten, die Florine eingestellt hatte und die nun den Dachboden bevölkerten. Auch so ein Ungemach, dieser Zwang nach Ordnung und Sauberkeit. Florine war gegangen, die Dienstboten geblieben. Eine gestärkte Haube auf dem Kopf, setzte Agathe ihr Nachtlicht ab.
    „Herr, was macht Ihr denn da? Mitten in der Nacht.“
    Die Nacht, allmählich sollte sie es gelernt haben, war sein Tag. Wie alle anderen in seinem Haus war Agathe ein Kind der Gosse und gehörte zu der Kategorie von Sterblichen, die ihre Nasen in einfach alles steckten, insbesondere da dieser Frau der Aufstieg zu Kopf gestiegen war und sie sich für die graue Eminenz seines Haushaltes hielt.
    „Ich packe.“
    Agathe lugte in die Reisetasche. „Pantoffeln, ein Schnupftuch und ein Strumpf. Weit wollt Ihr wohl nicht reisen, Herr.“
    „Ich habe soeben erst angefangen.“
    Ohne Scheu durchquerte Agathe das Ankleidezimmer und öffnete eine Kommode. „Ich packe für Euch, Herr. Wohin soll es denn gehen?“
    Als ob sie das etwas anginge. Da die Menschen in seinem Haus zu einem unerlässlichen Maß an Normalität beitrugen, fletschte er vor ihnen niemals die Zähne. Für sie war er ein Sonderling, dessen großzügiger Lohn ein leichtes
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