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So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah
Autoren: Marleen Reichenberg
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kritisch meine Kurven und fand mich wie üblich zu dick, obwohl
ich laut Body-Mass-Index von einundzwanzigkommafünf absolut im Normbereich lag.
Aber wie ich in den einschlägigen Zeitschriften immer wieder lesen musste,
wogen Supermodels, die in etwa meine Körpergröße besaßen, runde zehn bis
fünfzehn Kilo weniger als ich. Und im Vergleich zu der um einen Kopf kleineren
Lisa, die mit einem zierlichen Körper und knabenhaften Formen gesegnet war,
wirkte ich, vornehm ausgedrückt, sehr weiblich.
    Lustlos
rubbelte ich mich mit dem Handtuch trocken, föhnte meine ungebärdigen dunkelbraunen
Locken, cremte mich mit nach Moschus duftender Bodylotion (Geschenk meines
Liebsten) ein und hob vorsichtig die zwei schwarzen Stofffetzen auf, die sich
als Höschen mit offenem Schritt und brustwarzenfreier BH entpuppten. OMG! Als
ich mich in die Teile gezwängt hatte, wagte ich einen kurzen Blick in den
Spiegel und schloss entnervt die Augen. Ich liebte verführerische Dessous,
hatte eine ganze Schublade voll davon, aber Paul stand mehr auf diese
schwarzglänzenden Polyesterfetzen mit dem billigen Spitzenbesatz. Sie wirkten
angezogen abgrundtief ordinär. In diesem Outfit konnte mein Porsche definitiv
als Dienstwagen durchgehen!
    In meinem
Schlafzimmer holte ich pflichtbewusst die schwarzen Stilettos aus meinem
Kleiderschrank, streifte mir halterlose schwarze Seidenstrümpfe über die Beine
und zwängte mich dann in ein schwarzes wurstpellenähnliches Schlauchkleid, das
weit oberhalb meiner Knie endete. Ich war gut erzogen und wusste, auf was der Chef
stand. Zudem musste ich ihm den Opernbesuch schmackhaft machen. In meiner albernen
Verkleidung stöckelte ich in die Küche, wo Paul eifrig am Herd werkelte. Er
drehte sich um, seine Augen leuchteten lüstern auf (genau derselbe Ausdruck,
den mein neuer Klient wenige Stunden vorher draufgehabt hatte) und rasch legte
er den Topfdeckel, mit welchen er gerade hantierte, zur Seite, um mich ungestüm
an sich zu ziehen.
    »Wow, Babe,
jetzt siehst du absolut scharf aus«, flüsterte er an meinem Ohr, während seine
Hände gierig und grob über meine Vorderseite glitten und er mir unvermittelt
seine Zunge tief in den Mund rammte. Er gab mich kurz frei, um die Regler an
den Herdplatten herunter zu schalten und zerrte mich in Richtung Schlafzimmer.
    »Wir essen
danach. Du machst mich derart an, dass ich nicht mehr warten kann, du …«
    Paul liebte
Dirty-Talk.
    Nach einem
kurzen aber heftigen Zwischenspiel mit vielen unanständigen Worten, während dem
ich mir vorkam, als wäre ich unversehens in einen Orkan geraten und vermutlich
auch so aussah, lag Paul ermattet auf dem Rücken und war in mehrerlei Hinsicht
zutiefst befriedigt. Ich nicht, aber das schien in letzter Zeit zweitrangig zu
sein. Ich nutzte die günstige Gelegenheit und sein nunmehr ausgeglichenes Gemüt,
um meinen Freund auf den morgigen Opernbesuch einzustimmen. Er zog einen Flunsch.
    »Muss das
sein? Dieses Gejohle und Herumgehüpfe ist doch totale Zeitverschwendung. Lisa
soll die Karten verkaufen.«
    Mit einer
Engelsgeduld, diversen Hinweisen auf kürzliche Kinobesuche ihm zuliebe und der
Verheißung auf weitere Bettgeschichten an diesem Wochenende schaffte ich es
schließlich, ihn zu überreden. Er würde mit mir "diesen
Haremsquatsch", wie er es nannte, ansehen und sich sogar in einen dunklen
Anzug mit Krawatte werfen.
    »Aber nur,
wenn du morgen diese Unterwäsche drunterziehst«,
    behielt er
wie immer das letzte Wort. Mein unhörbarer Seufzer veranlasste Engelchen,
ebenfalls resigniert mit den Schultern zu zucken. Das Zeug war total unbequem,
er hatte es - absichtlich - eine Nummer zu klein gekauft. Aber was sollte es,
zumindest hatte ich diesmal meinen Willen durchgesetzt, wenn auch mit einer
ganzen Latte an Zugeständnissen. Er kehrte in die Küche zurück, um nach seiner
kulinarischen Meisterleistung zu sehen und ich schlüpfte in Jeans und Pulli, um
rasch bei Lisa die Karten abzuholen, bevor Paul es sich doch noch anders
überlegte.
    Zwei
Stockwerke über mir öffnete sie auf mein Klingeln die Wohnungstür und grinste
mich frech an:
    »Ich dachte,
Paul kommt erst um neun? So wie du aussiehst, ist er schon eine Weile bei dir.
Du hast diesen typischen Out-of-Bed-Look, rote Wangen, zerzaustes Haar und
glänzende Augen.«
    Das hatte sie
schön ausgedrückt, auch wenn es eher der Out-Of-Hurricane-Look war.
    Ich fragte
mich, woher ich die glänzenden Augen hatte? Die konnten eigentlich nur von der
Vorfreude auf die Oper
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