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So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah
Autoren: Marleen Reichenberg
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Blicken an und säuselte:
    »Ich finde
das hier alles ganz wundervoll und bin so froh, dass mich Paul zum Mitkommen
überredet hat. Diese besondere Atmosphäre, die tolle Musik, die herrlichen
Kostüme…«
    Scheinbar
überwältigt brach ich ab, während Dr. Wichtigmacher väterlich lächelte und Paul
am Arm von der Garderobe wegzog.
    »Was wollten
Sie denn an der Garderobe? Da werden keine Erfrischungen gereicht. Kommen Sie
auf ein Glas Sekt mit uns, wir haben oben im Pausenraum einen Tisch
reserviert.«
    Paul
stammelte etwas von »meinen Schlüssel versehentlich in der Manteltasche
gelassen« und ließ sich willig mitziehen. Innerlich feixend folgte ich ihm und
den Klugscheißern. Nach einem gähnend langweiligen Pausenintermezzo mit den
zwei Opernkennern (ich verzog mich etwa eine Viertelstunde davon aufs Damenklo
und ersparte mir somit das hohle Geschwafel, während Paul gezwungen war, sich
eine ausführliche Beschreibung und Analyse sämtlicher hier aufgeführter
Mozartopern anzuhören) erklang erneut der Gong. Mittlerweile hatte ich Gefallen
an meiner Rolle als naive Verlobte gefunden. Gespielt aufgeregt zog ich Paul am
Ärmel und quiekte:
    »Liebling, es
geht weiter. Wir müssen wieder rein!«
    Wie sich
herausstellte, benutzten sein Chef und die werte Gattin denselben Eingang wie
wir. Sie saßen vier Reihen hinter uns, weswegen eine unbemerkte Flucht
unmöglich geworden war.
    Ich amüsierte
mich königlich darüber, dass Paul aufgrund dieser unerwarteten Begegnung in der
Falle, pardon: wieder auf seinem Platz, saß. Sein resignierter Gesichtsausdruck
sprach Bände und innerlich platzte ich vor Schadenfreude, die mir den Rest des
weiterhin grässlich verhunzten Stücks versüßte. Ich schloss einfach die Augen,
blendete alle störenden Details aus und lauschte der herrlichen Musik sowie den
wunderbaren Stimmen der Hauptdarsteller.
    Am Ende der
Vorstellung verabschiedeten wir uns im Foyer artig von den "Doktoren"
Rademacher, wobei ich mir sicher war, dass nur er den Titel berechtigt führte.
Sie legte aber großen Wert auf denselben, denn als ich mit voller Absicht beim
abschließenden Händeschütteln »Frau Rademacher« sagte, erfolgte sofort die
spitze Korrektur »Frau Doktor Rademacher, bitte.«  
     Engelchen
hob warnend den Zeigfinger. Deshalb unterließ ich schweren Herzens die Frage,
auf welchem Standesamt sie promoviert hatte.
    Die Krönung
kam, als der Alte sich huldvoll an Paul wandte:
    »Herrn
Veltenried, ich werde an Sie beide denken, wenn meine Frau und ich einmal
wieder die Möglichkeit haben, vorab an Premierenkarten zu kommen.«
    Ich hustete
heftig, um meinen unkontrollierten Lachanfall zu kaschieren. Rasch zog mich
Paul nach draußen, nachdem er sich für das überaus freundliche Angebot bedankt
hatte.
    Als wir im
Auto nachhause fuhren - Paul würde heute bei mir übernachten - feixte ich
ausgelassen.
    »Du hättest
dein Gesicht sehen sollen, als wir nach der Pause wieder auf unseren Plätzen
saßen…das war einfach zu köstlich! Paul Veltenried, der Opernliebhaber!«
    Mit
gönnerhaftem Unterton stichelte ich weiter:
    »Ich begleite
dich natürlich, wenn es unbedingt sein muss, auch zu weiteren Premieren,
solltest du Karten von den Doktoren Wichtigmacher dafür erhalten! Auch wenn ich
mit diesem Gejohle und Herumgehüpfe wirklich nichts anfangen kann!«
    Paul war hin-
und hergerissen zwischen Lachen und Empörung.
    »Tessa, hör
auf, dich über mich lustig zu machen und versteh das bitte: Der Mann
entscheidet über meine berufliche Zukunft, darüber, ob und wann ich
Kanzleiteilhaber werde. Mit dem muss ich mich gut stellen.«  
     
    Aber
letztendlich konnte er mir nicht böse sein, immerhin stand er durch mich bei
seinem Chef jetzt glänzend da. Also nahm er den Abend ebenfalls mit Humor. In
meinem Wohnzimmer tranken wir noch eine Flasche Rotwein zusammen, bevor wir
schlafen gingen. Und in dieser Nacht kam endlich der zärtliche einfühlsame
Paul, in den ich mich vor drei Jahren verliebt hatte, wieder zum Vorschein.
Zufrieden kuschelte ich mich, kurz bevor ich einschlief, an ihn und fragte
mich, ob Lisa noch mit Simon zusammen war. In diesem Moment beneidete ich sie
nicht mehr um ihre einsamen Abende. Und ich dankte dem lieben Gott dafür, dass
ich in meinem Beruf keinen Chef über mir hatte, dem ich die Füße küssen musste,
damit mein Arbeitsplatz und meine Karriere gesichert waren.

LOVE IS GONE
     
    Am nächsten
Morgen schliefen Paul und ich lange aus, danach verabschiedete er sich, um
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