Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So schoen Tot

So schoen Tot

Titel: So schoen Tot
Autoren: Christiane Franke , Sandra Luepkes
Vom Netzwerk:
wie Haar in Suppe.« Sie runzelt die Stirn. »Oh, meine ich nicht Haar, meine ich Salz in Suppe.«
    Langsam frage ich mich, ob in diesem Hotel überhaupt jemand normal ist.
    »Können Sie glucklich sein, meine Bruder kommen aus Ukraine. Die haben viel mehr Haare zu zupfen.« Sie wirft mir einen schnippischen Blick zu. »Sind aber sehr tapfer, meine Bruder.«
    Ja, Danke schön. Ich habe verstanden. Möglicherweise ist mein Nervenkostüm nach dem heutigen Tag bereits etwas strapaziert. Oder ich bin eben sensibler als ihre abgestumpften ukrainischen Halbaffengeschwister, ist ja auch nicht verwerflich. »Chantal«, sage ich, verstumme jedoch augenblicklich, da die Pinzette nun mit Presslufthammerfrequenz auf mich einhackt und dabei schätzungsweise sechzig Haare in der Sekunde entfernt. Spätestens in einer halben Minute werde ich aussehen wie Daniela Katzenberger.
    »Stopp!«, brülle ich und bäume mich so gut es geht auf. »Ich will hier raus!«
    Chantal pausiert einen Moment. Dann wieder stures Kopfschütteln. »Geht nicht. War erst rechte Seite. Muss linke auch noch machen, ist Vorschrift.«
    »Jetzt hören Sie mal zu«, sage ich und klinge dabei schon etwas geschwächt. »Die einzige Vorschrift, die Sie hier zu befolgen haben, ist, dass der Kunde in Deutschland König ist. Somit bin ich hier König, und Sie müssen meine Wünsche erfüllen. Und ich habe nur einen: Hören Sie sofort damit auf und befreien Sie mich aus dieser juckenden Wickelhölle!«
    Wie es zu erwarten war, schüttelt Chantal den Kopf. Die Pinzette schwirrt. Blitzschnell drehe ich den Kopf nach links, was sich als fataler Fehler herausstellt. Sekunden später spüre ich einen Schmerz, gegen den alles Vorangegangene ein Witz war. Ich brülle und fühle im selben Moment etwas Warmes über meine Wangen tropfen. Blut! In
eine schöne Bogen!
Chantal schreit auf.
    »Oh, meine Gott, Sie durfen doch nicht bewegen während Behandlung!« Mit blankem Entsetzen starren wir gemeinsam auf die Pinzette, zwischen deren kleinen Zangen ein streichholzkopfgroßes Stück Fleisch aus meinem Augenlid klemmt.
    »Oh, meine Gott«, kreischt Chantal erneut, sieht mich an, und ihre Augen werden glasig. Sekunden später greift sie nach dem Laken, auf dem ich liege, verfehlt es und bricht ohnmächtig vor meiner Liege zusammen.
    »Chantal?«, flüstere ich und versuche, einen Blick auf sie zu erhaschen. »Chantal?« Sie ist so unglücklich gestürzt, dass sie fast komplett unter meiner Liege verschwunden ist. Behutsam robbe ich ein Stück zur Seite und beuge mich vorsichtig vor. Nicht vorsichtig genug.

6.
    Als ich aufwache, kann ich außer meinen Augen nichts bewegen. Trotzdem realisiere ich sofort, wo ich mich befinde: im Krankenhaus. Schlimmer noch als das trifft mich allerdings die Erkenntnis, dass meine beiden Arme eingegipst wurden und nun, wie zwei Fremdkörper, links und rechts neben meinem Rumpf liegen. Unterleib und Hals sind ebenfalls bandagiert, sogar mein Kiefer wurde irgendwie fixiert. Vielleicht ist dies doch das Kabinett des Dr.   Caligari? Immerhin: Die Beine kann ich bewegen. Flucht scheint somit nicht unmöglich zu sein. Unfassbar, dass dies das Ergebnis eines Wellnessaufenthalts sein soll. Denn mehr ist mein Ausflug ja im Grunde genommen nicht gewesen, und das ist auch gut so. Zwar war der Entspannungswert meines Kurztrips gleich null, dafür hat mich aber der Sturz von der Kosmetikliege wieder zur Vernunft kommen lassen. Morden ist nicht mein Ding. Zu gefährlich. Und so grausam. Schon allein die detaillierten Aufzeichnungen, die ich zur Planung anfertigen musste   – widerlich. Und dann diese Opfersuche. Wie soll man sich denn da nur auf die Schnelle entscheiden können? Sylvia hatte recht, ich gehöre in die Provence. Dort ist es friedlich und idyllisch,die Recherchearbeit geht harmonisch und ohne größeren Körpereinsatz vonstatten, und für den nächsten Roman habe ich sogar bereits eine Idee. Er könnte

in Anlehnung an meinen Gipspanzer
– Genesung in La Rochelle
heißen. Das wird Sylvia Kaminski zwar nicht angst- und bewunderungsvoll in meine Arme treiben, aber es dürfte die Verlagskasse ein weiteres Mal klingeln lassen. Und mit Geld sollen ja auch schon Frauen verführt worden sein. Sicher ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch meine Lektorin darauf anspringt.
    Wie auf Kommando klopft es an der Tür. Mein Blick schießt nach links, mehr Bewegung ist mir leider nicht möglich. Nicht mal »Herein« kann ich rufen, was mein Besucher zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher