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So heiß wie der Wuestenwind

So heiß wie der Wuestenwind

Titel: So heiß wie der Wuestenwind
Autoren: Olivia Gates
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und nun stellte sich heraus, dass ihr ganzes Leben auf Lügen aufgebaut war.
    Gerade die Menschen, die ihr am nächsten standen, hatten sie von vorne bis hinten belogen.
    Es war zu viel auf einmal. Randall Morgan war gar nicht ihr leiblicher Vater, sondern nur ihr Adoptivvater. Bahiyah Al Shalaan war nicht ihre Mutter, sondern ihre Tante. König Atef war nicht ihr Onkel, sondern ihr leiblicher Vater. Und ihre wirkliche Mutter war eine Frau aus Amerika, von der Aliyah vorher noch nie etwas gehört hatte.
    Man gestand ihr nicht einmal zu, über all das schockiert zu sein. Hatten sie denn von ihr erwartet, sie würde nur kurz mit den Schultern zucken und das alles so hinnehmen? Jetzt unterstellten sie ihr sogar, sie würde wieder in den labilen Zustand gleiten, der ihr Leben früher beherrscht hatte. War es denn nicht verständlich, dass sie Zeit brauchte, um diese Enthüllungen zu verarbeiten? Nach dem Anruf ihres Onkels beziehungsweise neuen Vaters fühlte Aliyah sich schuldig, weil sie nicht sofort nach Zohayd zurückgeflogen war. Dort hätte sie die Frau treffen sollen, die sie zur Adoption freigegeben hatte, als das ganze Elend begonnen hatte.
    Aber das wollte sie nicht. Noch nicht. Sie brauchte Zeit.
    Es ging nicht einmal hauptsächlich darum, dass ihre Herkunft anders war, als sie ihr ganzes Leben lang angenommen hatte. Damit würde sie nach und nach schon klarkommen. Das Schlimmste war, dass man noch etwas ganz anderes von ihr erwartete …
    Plötzlich schreckte ein Geräusch sie auf. Der Hinweis „Sie haben eine neue E-Mail“ erschien auf dem Bildschirm.
    Als sie die Mail aufrief und den Namen des Absenders las, blieb Aliyah vor Schreck fast das Herz stehen.
    Kamal Al Masud.
    Eine E-Mail. Von ihm. Dem Mann, den sie von allen Menschen am meisten verabscheute. All ihre Liebe und Leidenschaft hatte sie ihm geschenkt, und er hatte beides mit Füßen getreten. Und jetzt verlangte man von ihr, dass sie ausgerechnet ihn heiratete!
    Die Betreffzeile war leer. Was hätte er dort auch hineinschreiben sollen? „Betreff: An die Klette von damals“? Oder „Frische neue Beschimpfungen“?
    Beschimpfungen wären gar nicht mal so schlecht. Dann hätte sie wenigstens einen schriftlichen Beleg dafür, dass diese Heirat, die alle schon fest eingeplant hatten, ein Ding der Unmöglichkeit war.
    Nervös öffnete sie die Mail und starrte auf den Text, der auf dem Bildschirm erschien.
    Wir treffen uns zum Abendessen, um die Lage zu besprechen. Du wirst um 19 Uhr abgeholt.
    Mehr nicht. Kein Gruß, kein Name.
    Wenn Aliyah an den Abend zurückdachte, an dem sie sich kennengelernt hatten … Was ihn betraf, war sie voller Illusionen gewesen. Wie ein Wüstenkrieger war er ihr vorgekommen, edel und ritterlich. Er hatte ja die gleichen Wurzeln wie sie, und sie hatte ihn als Seelenverwandten gesehen. Sie beide waren von vornehmer Herkunft, was keiner von ihnen missbrauchte. Sie schafften es auch so, aus eigener Kraft, Erfolg zu haben. Wobei sein Erfolg natürlich ungleich größer war.
    Sie war überzeugt davon gewesen, dass er als Einziger unter ihre Oberfläche sah und ihre empfindsame Seele erkannte. Dass er sie als Einziger weder ausnutzen noch von ihrem Ruhm profitieren wollte. Dass er nie genug von ihr bekommen würde. Doch dann hatte er sie ganz plötzlich und ohne jede Erklärung verlassen.
    Völlig verzweifelt hatte sie ihn immer wieder um Versöhnung oder wenigstens einige klärende Worte gebeten, aber er hatte reagiert, als ob sie Luft wäre.
    Zum Teil gab sie sich selbst die Schuld daran. Schließlich war sie so dumm gewesen, auf ihn hereinzufallen. Sie hatte an die große Liebe geglaubt, dabei war sie an einen Heuchler geraten, der sie erst ausgenutzt und dann noch für ihre Dummheit beschimpft hatte.
    Und jetzt trat er wieder in ihr Leben. Er holte sie nicht einmal selbst ab, er ließ sie abholen – wie Sperrmüll am Straßenrand.
    Dieser Mann wurde König, weil die anderen Kandidaten verzichtet hatten. Aber wie ein Tyrann hatte er sich sowieso schon immer aufgeführt. Rücksichtslos stieß er alle aus dem Weg, die nicht schnell genug beiseitetraten. Eine Zeitlang hatte Aliyah diese Grausamkeit sogar für eine charakterliche Stärke gehalten, an der sie sich ein Beispiel nehmen konnte. Wie dumm sie gewesen war!
    Und jetzt sollte sie diese Mensch gewordene Dampfwalze heiraten.
    Das verlangte jedenfalls diese merkwürdige Abmachung zwischen zwei Stämmen. Durch das Verhalten ihrer Eltern war sie die Hauptfigur in diesem
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