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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Blau.
    Doch selbst mit den Ohren unter Wasser konnte er die fernen Laute hören, die Schläge aus der Welt um ihn herum, und als er sein Gesicht aus dem Wasser zog, war sie natürlich noch da; hallend, lärmend.
    Micke hatte seinen Platz auf dem Beckenrand verlassen, und die anderen waren mit einer Art Volleyballspiel beschäftigt. Der weiße Ball flog in die Luft, setzte sich deutlich von der Schwärze der Fensterscheiben ab. Oskar paddelte zu einer Ecke im tiefen Teil des Beckens, stand dort nur mit der Nase über Wasser und schaute zu.
    Micke eilte mit schnellen Schritten aus der Dusche am anderen Ende der Halle heran und rief: »Herr Lehrer! In Ihrem Zimmer klingelt das Telefon!«
    Ávila murmelte etwas und ging am Beckenrand entlang davon. Er nickte Micke zu und verschwand in der Dusche. Das Letzte, was Oskar von ihm sah, war eine verschwommene Kontur hinter beschlagenem Glas.
    Dann war er verschwunden.
     
    Sobald Micke den Umkleideraum verlassen hatte, nahmen sie ihre Positionen ein.
    Jonny und Jimmy glitten in den Trainingsraum; Roger und Prebbe pressten sich hinter den Türpfosten an die Wand. Sie hörten Micke in der Schwimmhalle rufen, machten sich bereit.
    Weiche Barfußschritte, die näher kamen, am Trainingsraum vorbeigingen, und zwei Sekunden später trat Lehrer Ávila durch die Tür zum Umkleideraum und ging zum Lehrerzimmer. Prebbe hatte die mit Münzgeld gefüllten, doppelten Kniestrümpfe bereits einmal um die Hand gewickelt, um sie besser im Griff zu haben. Als der Lehrer die Tür erreichte und ihm den Rücken zuwandte, trat Prebbe einen Schritt vor und schwang das Gewicht gegen seinen Hinterkopf.
    Prebbe war nicht sonderlich geschickt, und Ávila musste etwas gehört haben. Als der Schlag halb ausgeführt war, wandte er den Kopf zur Seite, sodass die Strümpfe ihn am Ohr trafen. Das Ergebnis fiel dennoch wie gewünscht aus. Der Lehrer wurde schräg nach vorn geschleudert, schlug mit dem Kopf gegen den Türrahmen und rutschte zu Boden.
    Prebbe setzte sich auf seine Brust und platzierte das schwere Bündel mit Münzen in seiner Handfläche, um wenn nötig zu einem etwas kontrollierteren Schlag ausholen zu können, was jedoch nicht der Fall zu sein schien. Die Arme des Lehrers zuckten zwar ein wenig, aber er leistete nicht den geringsten Widerstand. Prebbe glaubte nicht, dass er tot war. Es sah einfach nicht danach aus.
    Roger trat näher und beugte sich über den liegenden Körper, als hätte er etwas Derartiges noch nie gesehen.
    »Ist das ein Türke?«
    »Weiß ich doch nicht. Schnapp dir die Schlüssel.«
    Während Roger die Schlüssel aus der kurzen Hose des Lehrers heraussuchte, sah er Jonny und Jimmy den Trainingsraum verlassen, zum Becken gehen. Er fand die Schlüssel, probierte einen nach dem anderen an der Tür zum Lehrerzimmer aus, schielte auf Ávila hinab.
    »Echt behaart wie ein Affe. Hundert pro ein Türke.«
    »Jetzt mach schon.«
    Roger seufzte, probierte weitere Schlüssel.
    »Ich sage das nur dir zuliebe. Ist doch ein etwas besseres Gefühl, wenn …«
    »Jetzt halt endlich die Klappe. Mach voran.«
    Roger fand den richtigen Schlüssel und schloss die Tür auf. Ehe er hineinging, zeigte er auf den Lehrer und sagte:
    »Du solltest vielleicht nicht so auf ihm sitzen. Er bekommt ja keine Luft.«
    Prebbe glitt von der Brust herab, setzte sich neben den liegenden Körper, hielt das Gewicht schlagbereit in der Hand, falls Ávila sich doch noch wehren sollte.
    Roger durchsuchte die Taschen der Jacke, die im Lehrerzimmer hing, fand ein Portmonee mit dreihundert Kronen. In einer Schublade im Schreibtisch, zu der er nach einigem Suchen den Schlüssel fand, lagen zehn ungestempelte Streifenkarten für die U-Bahn, die er ebenfalls einsteckte.
    Eine ziemlich magere Beute. Aber darum ging es hier ja auch nicht. Eine reine Gefälligkeit.
     
    Oskar stand immer noch in der Ecke des Schwimmbeckens und pustete Blasen ins Wasser, als Jonny und Jimmy hereinkamen. Seine erste Reaktion war nicht Angst, sondern Entrüstung.
    Sie trugen doch tatsächlich Straßenkleidung.
    Ja, nicht einmal die Schuhe hatten sie ausgezogen, und Lehrer Ávila achtete doch immer peinlich genau darauf …
    Als Jimmy sich an den Rand des Beckens stellte und die Wasserfläche abzusuchen begann, regte sich erstmals Angst in ihm. Er war Jimmy zwei, drei Mal flüchtig begegnet, und schon damals war Jonnys größerer Bruder ihm unheimlich gewesen. Jetzt war da außerdem etwas mit seinen Augen … mit der Art, wie er den Kopf
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