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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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seine Tasche. Das Schwedischheft, in das er eine Geschichte geschrieben hatte, die ihm gefiel. Auch sein Lieblingsstift wanderte in die Tasche. Dann stand er auf, drehte eine Runde durch das Klassenzimmer und genoss es einfach, dort zu sein. In Frieden.
    Jonnys Pult roch chemisch, als er den Deckel erneut anhob, die Streichhölzer herauszog.
    Nein, Moment …
    Er holte zwei grobe Holzlineale aus dem Regal am hinteren Ende der Klasse. Bockte mit dem einen Jonnys Pult auf, mit dem anderen das von Tomas. Sonst würde es nicht weiterbrennen, wenn er den Deckel losließ.
    Zwei hungrige Urzeittiere, deren Mäuler nach Nahrung gierten. Drachen.
    Er zündete ein Streichholz an, hielt es in der Hand, bis die Flamme groß und klar brannte. Ließ es fallen.
    Es fiel als ein gelber Tropfen aus seiner Hand und – WRUMMM
    Verd…
    Seine Augen brannten, als ein lila Kometenschwanz aus dem Pult in die Höhe schoss, über sein Gesicht leckte. Er schrak zurück; er hatte geglaubt, es würde brennen wie … wie Grillkohle, aber das Pult brannte sofort lichterloh, wurde zu einer einzigen großen Flamme, die sich nach der Decke reckte.
    Es brannte zu stark.
    Das Licht tanzte, flatterte über die Wände des Klassenzimmers, und eine Girlande aus großen Pappbuchstaben, die über Jonnys Pult hing, löste sich und fiel mit brennendem P und Q zu Boden. Die zweite Hälfte der Girlande schwang in einem weiten Bogen, und Flammen fielen in Tomas’ Pult, das augenblicklich mit dem gleichen WRUMMMsaugenden Knall entflammt wurde, während Oskar aus dem Klassenzimmer rannte, wobei die Schultasche gegen seine Hüften schlug.
    Und wenn jetzt die ganze Schule …
    Als er das Ende des Gangs erreichte, begannen die Schulglocken zu klingeln. Metallisches Schrillen erfüllte das Gebäude, und erst als er schon ein ganzes Stück die Treppen hinuntergeeilt war, begriff er, dass es der Feueralarm war.
    Auf dem Schulhof klingelte die große Schulglocke wütend Schüler in die Klassen zurück, die es nicht gab, sammelte die Geister der Schule und begleitete Oskar auf dem halben Heimweg.
    Erst als er zum alten Konsumladen hinaufgelangte und das Klingeln nicht mehr zu hören war, entspannte er sich und ging ruhig nach Hause.
    Im Badezimmerspiegel sah er, dass die Spitzen seiner Wimpern eingerollt, versengt waren. Als er mit dem Finger darüber strich, fielen sie ab.

MITTWOCH, 11. NOVEMBER
    Zu Hause. Nicht in der Schule. Kopfschmerzen. Das Telefon klingelte um neun. Er ging nicht an den Apparat. Gegen Mittag sah er Tommy und seine Mutter am Fenster vorbeikommen. Tommy ging gebeugt, langsam. Wie ein alter Mann. Oskar duckte sich unter das Fensterbrett, als sie vorbeigingen.
    Das Telefon klingelte im Stundentakt. Schließlich, gegen zwölf, ging er an den Apparat. »Ja, hier spricht Oskar.«
    »Hallo. Ich heiße Bertil Svanberg und bin, wie du vielleicht weißt, der Rektor an der Schule, in die du …«
    Er legte auf. Es klingelte erneut. Er starrte eine Weile das klingelnde Telefon an, stellte sich vor, wie der Rektor in seinem karierten Jackett dasaß und mit den Fingern trommelte, Grimassen schnitt. Dann zog er sich an und ging in den Keller.
    Er spielte mit den Puzzles, stocherte in der kleinen weißen Holzschatulle herum, in der die mehreren hundert Teile des gläsernen Eis glitzerten. Eli hatte nur ein paar Tausender und den Würfel mitgenommen. Er schloss den Karton mit den Puzzles, öffnete den zweiten, strich mit der Hand durch die raschelnden Geldscheine. Nahm eine Hand voll heraus, warf sie auf den Boden. Stopfte sie sich in die Taschen. Holte sie einen nach dem anderen wieder heraus, spielte »Der Junge mit den Goldhosen«, bis er keine Lust mehr hatte. Zwölf zerknitterte Tausender und sieben Hunderter lagen zu seinen Füßen.
    Er sammelte die Tausender in einem Haufen und faltete sie zusammen. Legte die Hunderter zurück, schloss den Karton. Ging in die Wohnung hinauf, suchte einen weißen Briefumschlag heraus, in den er die Tausender legte. Blieb mit dem Kuvert in der Hand sitzen und überlegte, wie er es machen sollte. Er wollte nicht schreiben; jemand würde seine Handschrift erkennen können.
    Das Telefon klingelte.
    Hört endlich auf. Kapiert endlich, dass es mich nicht gibt.
    Jemand wollte ein ernstes Wörtchen mit ihm reden. Jemand wollte ihn fragen, ob er begriff, was er da getan hatte. Er begriff es nur zu gut. Und Jonny und Tomas begriffen es mit Sicherheit auch. Ganz genau. Daran konnte es nicht den geringsten Zweifel geben.
    Er ging zu
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