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SMS für dich

Titel: SMS für dich
Autoren: Sofie Cramer
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    Sven 
    Mit hochgezogenen Augenbrauen und theatralisch gehobener Stimme, die jeden Ernst entbehrt, trägt Sven am nächsten Tag die
     folgenden Zeilen vor:
     
    Hallo Liebling! Kannst du von da oben irgendwas für meinen Opa tun? Irgendwie fehlt uns allen das Lachen – und du fehlst mir
     heute ganz besonders. Dein Lilime
     
    Sven will noch einen empörten Lacher hinterherschieben, um Hilke unmissverständlich klarzumachen, dass er den Inhalt der SMS
     absolut lächerlich findet. Aber er kann nicht lachen, weil Hilkes Reaktion ihn irgendwie irritiert.
    «Das ist ja herzzerreißend. Das klingt, als ob ein verzweifeltes Kind mit Gott spricht», sagt Hilke ernst und ohne auch nur
     zu schmunzeln. «Zeig mal!», ergänzt sie schnell in einem Ton, der einem Befehl gleichkommt.
    Sven reicht ihr sein i-Phone nur äußerst ungern, schließlich ist das Gerät brandneu und noch ohne irgendwelche Kratzer und
     Fingerabdrücke.
    «Und wo sind die anderen beiden?», fragt sie. «Ich will alle lesen, und zwar sofort!»
    Nun muss Sven doch lachen. Über Hilke. Denn sie reagiert, als habe er ihr soeben von einer spontanen Papstaudienz oder der
     Auferstehung von Elvis berichtet.
    |34| «Was ist?», fragt sie empört.
    «Ach, nichts», erklärt Sven und schüttelt amüsiert den Kopf.
    «Hast du schon mal geantwortet?»
    «Nö. Wieso?»
    «Männer!» Hilke verdreht ihre Augen und zieht eine Braue in die Höhe. «Na ja, du könntest zumindest mal Bescheid geben, dass
     sich da jemand all die Mühe umsonst macht. Schließlich kann dieser Lilime ja nicht wissen, dass seine Nachrichten einen falschen
     Empfänger erreichen!»
    Sven ist plötzlich verunsichert.
    Doch Hilke fährt ungerührt fort: «Die SMS landen nämlich bei einem gefühlskalten Monster, das auch noch gehässig ist und kein
     Herz hat für ein kleines Kind. Ein Kind, das offensichtlich großen Kummer wegen seines kranken Opas hat!»
    Auf einmal hat Sven wirklich ein schlechtes Gewissen. Er fragt sich, ob er tatsächlich so ein Ekelpaket ist, das bloß noch
     Technik und Titten im Kopf hat.
    Empört fegt er den Gedanken beiseite und kontert: «Also, erstens würde ein Kind niemanden mit ‹Liebling› anreden und so kitschig
     rumsülzen. Und zweitens: Wenn es sich unwahrscheinlicherweise doch um ein geistesgestörtes Kind handelt, wäre es sicher pädagogisch
     wertvoller, ihm nicht jede Illusion eines Gottes oder sonst einer himmlischen Gestalt zu nehmen. Man könnte also sagen, ich
     tue ihm einen Gefallen!»
    Hilkes Telefon klingelt, und sie wirft Sven schnell noch einen strafenden Blick über den Schreibtisch zu, bevor sie abnimmt.
    Sven grinst sein süffisantes Siegerlächeln und widmet |35| sich nun wieder seinem Text über Wirtschaftskriminalität und Insiderwissen an der Börse.
    Dennoch springen seine Gedanken immer wieder zu dieser kuriosen SM S-Geschichte . Vielleicht sollte er eines Tages versuchen, einen Krimi darüber zu schreiben.
    Er lässt seiner Phantasie freien Lauf, während er weiter konzentriert auf seinen Bildschirm starrt, damit Hilke nicht mit
     einem ihrer bissigen Kommentare dazwischengehen kann.
    Der Krimi würde von einem Mordfall im versnobten Milieu der HafenCity handeln. Irgendein Versicherungsbetrug mit Schmiergeldern
     in Millionenhöhe. Ein Angestellter bekommt Wind davon und erpresst den fiesen Oberboss. Im Affekt erwürgt er dann einen Mitwisser
     in der Tiefgarage und wirft ihn in die Elbe, ohne zu ahnen, dass er dabei von einem neunjährigen Jungen beobachtet wird. Doch
     aus Angst mag dieser sich niemandem anvertrauen. Weil er jedoch nicht weiß, wie er mit seiner Beobachtung umgehen soll, schaut
     er im Telefonbuch nach der Nummer eines Privatdetektivs. Da er befürchtet, ein Anruf oder ein handgeschriebener Brief könnte
     leichter zurückverfolgt werden, will er den Detektiv lieber per SMS über den Mörder informieren. Er klaut das Handy eines
     Nachbarn und versendet von dem Gerät eine Nachricht, die die Ermittler auf die richtige Fährte bringt und schließlich zur
     Lösung des Falles beiträgt   …
    Sven muss plötzlich grinsen wegen dieser, wie er findet, recht originellen Idee.
    Hilke muss ihn genau beobachtet haben, sie lässt sofort ihren obligatorischen Kommentar ab: «Na, hast du gerade deine menschliche
     Seite entdeckt?»
    |36| «Sehr witzig.»
    «Stimmt, das wäre wirklich zu komisch, wenn sich herausstellt, dass auch du ein Herz hast, mein lieber Svenni.»
    «Nenn mich nicht Svenni!», entgegnet Sven
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