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Skorpione im eigenen Saft

Skorpione im eigenen Saft

Titel: Skorpione im eigenen Saft
Autoren: Juan Bas
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sie für Brüder, später erfuhr ich, dass es sich um ein Ehepaar handelte, das aufgrund von tausenden gemeinsam im Haus und bei der Arbeit verbrachten Stunden und geschmort im Saft der alltäglichen Ehehölle eine physiognomische Symbiose eingegangen war. Die Häppchen kamen direkt aus der Küche, wurden an einem Fensterchen entgegengenommen und der gierigen Kundschaft serviert.
    Der Rohstoff war von erstklassiger Qualität und die Zubereitungszeit bewundernswert. Das Resultat der Kostprobe übertraf meine höchsten Erwartungen. Sobald wir uns das notwendige Stück Tresen erobert hatten, begannen Julito Currutaca und ich mit dem Austernbecher: superbe. Zwei vorzügliche rohe Muscheln, die eine unendliche Frische verströmten, angerichtet in einem Champagnerglas und umhüllt von einer festen und zugleich zarten Gelatine, die den gesamten Meeresgeschmack der zweischaligen Muscheln bewahrte, die sich zu gleichen Teilen dem sauren Kontrapunkt dieses Hauchs von gelungener Zitronencreme und dem gewagten Kontrast der bitteren und alkoholischen Kugel von Camparisorbet stellen mussten.
    Ein Zusammenspiel, das an meinem Gaumen wie eine Kipling ’ sche Seefahrergeschichte, Perlentaucher von Salgari und Sonnenuntergang in Neapel implodierte: ein vollkommenes chef-d ’ oeuvre.
    Wir machten weiter mit dem Schweinsohr in Foie: e ine sublime Verbindung zwischen volkstümlich und königlich; das Hausschwein und die plutokratische Gans in glücklichem Joch vereint; der schwere bolschewistische Stiefel, der behutsam den Marmor des zaristischen Winterpalais betritt: eine Gleichgewichtsübung im Küchenseiltanz.
    Zum Schluss bestellten wir die ausgefallene geschichtete Kartoffeltortilla, die ebenfalls von der aufdringlichen Merche und meinem einfältigen Bruder gegessen wurde, die bei Austern, Jakobsmuscheln und Schweinsohr Ekel befiel und denen das andere ziemlich schnurz war; ich muss das nicht kommentieren.
    Die Zubereitung war überraschend: eine gelungene Verbindung von Alchimie, Architektur und Philosophie, die Mathematik nicht zu vergessen. In einem Cocktailglas waren übereinander drei Lagen geschichtet. Und zwar von unten nach oben: ein Zwiebelbett, das mit Eselsgeduld mariniert worden war, köstliches Eigelb und eine Wolke aus himmlischem Kartoffelschaum. Ich steckte den Dessertlöffel tief hinein, sodass er mit einer Beute aus allen drei Schichten wieder zum Vorschein kam, das Ergebnis am Gaumen war eine saftige Tortilla aus warmen und perfekt gegarten Kartoffeln: Avantgarde auf solider Grundlage, chapeau!
    Zu diesem Festmahl gab es sehr gewöhnliche Weine: einen kräftigen Weißen aus Rueda und einen körperlosen und leicht korkigen roten Crianza. Ein Jammer, denn das trübte zum Teil das denkwürdige gastronomische Erlebnis. Wenigstens wurde kein Brot zu den Delikatessen gereicht, außer man bestellte es extra, was die Chanfradas tat und was bei mir automatisch ein Gefühl von Peinlichkeit auslöste; sie tunkte es sogar ein, als sie glaubte, das s i ch nicht hinsah; zur Strafe würde ich es ihr eine Weile nicht besorgen. Julito Currutaca wollte die Zwischenmahlzeit übernehmen, und wir sträubten uns nicht. Alles zusammen kostete nicht einmal tausend Peseten; billig war es also auch noch. Besagter Antontxu musste bei diesen Preisen Verluste machen, wenn man die Qualität der Zutaten und die Zubereitung bedachte.
    Wer war wohl dieser Antontxu? Ich hätte mein restliches Geld in einer Partie Poker verwettet, dass es nicht dieser Wiederkäuer hinterm Tresen war. Es musste sich zweifellos um den Koch handeln. Eine heftige Neugier befiel mich, ich musste herausfinden, was für ein Typ dieser vortreffliche Unbekannte war, der in den Hintern von El Bocho verwiesen war, doch bis zu diesem Augenblick war die Tür zur Küche fest verschlossen gewesen. Ich wollte noch ein wenig bleiben, um das Geheimnis zu lüften, weshalb ich mich genötigt sah, eine Runde Roten auszugeben, die aufgrund meines Status als fast Mittelloser schmerzte; natürlich durfte ich mich auch nicht zu weiteren Häppchen verführen lassen.
    Wie sagen noch die Dummköpfe in den neuen amerikanischen Spielfilmen, wenn ihnen irgendetwas gelingt: Bingo! Doch die Antwort auf die große Unbekannte brachte mich völlig aus dem Konzept.
    Als wir uns gerade über den essigsauren Wein, den ich spendiert hatte, hermachen wollten, öffnete sich die Tür des Sanctasanctorum, und eine in Schweiß gebadete Dicke, die irgendetwas mit dem Klon des Wiederkäuers am Tresen
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