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Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)

Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)

Titel: Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)
Autoren: Fran Rubin
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hatte sie stets dazu angehalten, jeden Morgen mit einer gründlichen Reinigung zu beginnen. Also schlüpfte sie aus ihren Schuhen, knöpfte das Kleid auf und streifte es über den Kopf. Zögernd legte Skiria schließlich ihr Unterkleid ab, nicht ohne sich vorher zu vergewissern, dass niemand sie beobachtete. Einmal mehr wurde ihr bewusst, wie sehr sich ihr Leib in der letzten Zeit verändert hatte. Mit einer Mischung aus Stolz und Scham kreuzte Skiria ihre Hände vor den zarten Wölbungen ihrer Brüste und schritt hinab zum Ufer. Als ihr Fuß in die Wasseroberfläche eintauchte, verzog sich ihr Gesicht ob der Kälte des Baches. Dennoch stand sie schließlich bis zu den Knien im Wasser, bückte sich und schaufelte das kühle Nass über ihre Haut, um sorgsam den getrockneten Schweiß abzuwaschen.
    Das nachtschwarze Augenpaar, das sich hinter den Bäumen des angrenzenden Waldgebietes verbarg und Skiria eindringlich musterte, bemerkte sie nicht.
     

    Ein wenig später verließ sie die Lichtung und begab sich in den Schatten der angrenzenden Bäume, wo es kühler und dunkler war. Ob sie jemals nach Runa zurück fände? Doch selbst, wenn ein breiter Weg geradewegs dorthin führen würde, musste sie der Versuchung widerstehen, in die Heimat zurückzukehren. Zu sehr fürchtete Skiria die Folgen des vermeintlichen Diebstahls. Aber wohin sollte sie stattdessen laufen? Konnte ein Mädchen in dieser Wildnis überleben?
    Um diese Frage zu beantworten, wusste Skiria viel zu wenig über diese Gegend. Sie kannte nur einige unglaubwürdige Geschichten und die Warnungen ihrer Eltern, die ihr immer nahegelegt hatten, sich bloß nicht zu tief in den Wald zu wagen.
    Hinter ihr raschelte es. Erschrocken fuhr sie herum, nur um zu sehen, wie einige herbstlich verfärbte Blätter durch die Luft segelten und sich zu ihren vertrockneten Vorgängern gesellten. Erleichtert wandte sich Skiria nach Westen. Eine gebührende Entfernung zu dem Dorf zu erreichen, schien zunächst das wichtigste Ziel.
     

    Entschlossen setzte sie ihren Gang fort. Halb verdeckt von Moos schimmerte eine samtige Steinpilzkappe aus dem Dickicht hervor. Obwohl sie kaum Hunger verspürte, griff Skiria nach dem kleinen Messer in ihrer Rocktasche, bückte sich und kappte den dicken Stiel. Als sie ihn in Stücke schnitt, fiel ihr weißes, festes Fleisch entgegen. Hastig verschlang sie es, wenn auch ohne Appetit. Ihr Vater hatte sie gelehrt, giftige und ungenießbare von den essbaren Pilzen zu unterscheiden. Die Erinnerung an ihn flammte schmerzhaft auf. Wenn er jetzt doch nur hier wäre. In Gedanken war sie auch ganz bei Janus. War es richtig gewesen, ihn allein im Dorf zurückzulassen? Doch ihr Bruder war stark und ließ sich nicht so leicht etwas gefallen. Er würde sich gegen die üble Rede der Dorfbewohner zur Wehr setzen. Vor den Strafen konnte Janus sie allerdings nicht bewahren, sodass es schon deswegen nicht in Frage kam, zurückzukehren. Vielleicht irgendwann einmal, wenn der Vorfall in Vergessenheit geraten war, aber noch nicht jetzt.
     

II.
     

    Janus sorgte sich. Erst spät abends war er von der Feldarbeit heimgekehrt, voller Vorfreude auf das gemeinsame Abendessen mit seiner Schwester, die den Acker früher verlassen hatte, um auf dem Dorfmarkt noch einige Lebensmittel zu erstehen. Doch als Janus die Tür zu der ärmlichen Hütte aufstieß, stellte er überrascht fest, dass ihn weder ein Essen, noch Skiria erwarteten. Ungewöhnlich, dass sie so lange fort blieb. Er setzte sich an den ungedeckten Tisch und überlegte, was der Grund dafür sein konnte, dass seine Schwester nicht schon viel früher heimgekehrt war. Doch zu warten und untätig herumzusitzen ertrug Janus nicht lange. Entschlossen blies er sich einige sonnengebleichte Haarsträhnen aus dem Gesicht, sprang auf und verließ eilig das Haus.
    Den Marktplatz fand er leer vor. Die Händler, die tagsüber lauthals ihre Ware anpriesen, hatten den Markt längst verlassen. Im fahlen Mondlicht wirkten die schemenhaften Umrisse der Stände wie Grabmäler, die über dem kopfsteingepflasterten Platz aufragten. Der kühle Abendwind hatte den aufdringlichen Geruch vom Blut geschlachteter Schweine und der Barben, die tagsüber der Länge nach aufgeschlitzt an langen Schnüren hingen, fortgeweht. Gewandt schlängelte sich Janus durch die eng gestellten Buden, sah hinter Bretterverschlägen und unter Tischen nach, aber außer einer alten Frau, die mit einem schmutzigen Lappen ihren Tresen schrubbte, konnte er
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