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Skandal um Lady Amelie

Skandal um Lady Amelie

Titel: Skandal um Lady Amelie
Autoren: Juliet Landon
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Mitglied des ton aufzutreten hatte: auf keinen Fall grell und extravagant; jedes Kleidungsstück musste perfekt sitzen, von höchster Eleganz sein und so eng geschnitten, dass es sich wie eine zweite Haut um breite Schultern, muskulöse Schenkel und schmale Hüften schmiegte. Auspolsterungen waren tabu, ebenso wie Korsetts. Was alles auf diese beiden Herren hier zutraf.
    Ein ansehnliches Paar, sagte sie sich, die beiden vergleichend. Der Ältere, mit gebieterischer Haltung, war wohl in der Armee gewesen, der Jüngere dachte wahrscheinlich, dass es bessere Beschäftigungen geben müsse. Eines stand jedenfalls fest: Sie mussten reich sein, sonst wären sie nicht hier in diesem exklusiven Geschäft.
    Dass sich die Aufmerksamkeit der beiden auf der Stelle Lady Amelie Chester zuwenden würde, war Caterina klar. Ihre Tante hatte an diesem Tag schon überaus zahlreiche Blicke auf sich gezogen. Wo immer sie sich befanden, was sie auch tat oder nicht tat, ständig hatten Männer gegafft, sich den Hals nach ihr verrenkt oder gar einen ungezogenen Pfiff ausgestoßen, und von Neid zerfressene Damen suchten nach Mängeln in ihrer Erscheinung, nur um enttäuscht aufgeben zu müssen.
    Caterina, die die beiden nicht aus den Augen gelassen hatte, sah, dass der jüngere Herr nach dem an seiner Weste befestigten Monokel griff, es jedoch auf ein paar leise Worte seines Begleiters hin wieder fallen ließ. Dann näherten sie sich unauffällig, wie Katzen, die sich an ihre Beute anschleichen.
    Mittlerweile hatte Lady Amelie, die in ihrem fast euphorischen Zustand kaum etwas um sich herum wahrnahm, eine Wahl getroffen. Erst vor Kurzem hatte sie sich einer unförmigen altmodischen Teekanne entledigt und schwebte nun im siebten Himmel, weil sie hier vor sich ein ganz entzückendes zierliches, modernes Stück sah. Noch ehe der erfreute Gehilfe seine Lobeshymnen bezüglich der hervorragenden Arbeit beendet hatte, erspähte sie einen vergoldeten Honigtopf in Form eines Bienenkorbes, dessen Deckel eine goldene Biene zierte. Zärtlich folgte sie mit ihren behandschuhten Fingern den eleganten Linien. „Wie vortrefflich!“, sagte sie begeistert.
    „Ein Stück von Paul Storr, Mylady, erst gestern eingetroffen“, erklärte der Verkäufer, überbreit lächelnd. „Wir hoffen, in nächster Zeit mehr von ihm zu bekommen.“
    „Nun, der Topf wird sich bei mir in Richmond wohlfühlen. Ich nehme ihn. Packen Sie ihn ein, zusammen mit dem Rest.“
    Der ältere der beiden Herren trat vor. „Richmond?“, fragte er. „Ich dachte, ich kenne jeden Einwohner dort. Verzeihen Sie, Madam, wir sind einander noch nicht vorgestellt worden. Bitte, erlauben Sie, dass ich mir die Freiheit nehme, die Vorstellung selbst in die Hand zu nehmen, da für diese Aufgabe leider niemand zur Verfügung steht. Nicholas Elyot, zu Diensten, und mein Bruder, Seton Rayne.“
    Der Gehilfe erkannte die Herren offensichtlich, denn er dienerte eifrig. „Einen guten Tag, Euer Lordschaft.“
    „Amelie Chester.“ Amelie neigte in haarscharf korrektem Winkel den Kopf, was Caterina veranlasste, hinter der Vitrine hervorzukommen. Fasziniert sah sie zu, nicht zu stolz, ihrer Tante die eine oder andere Geste im Umgang mit Herren abzuschauen. Eines Tages werde ich das auch können, sagte sie sich. Tante Amelie lächelte weder breit, noch verhielt sie sich affektiert, wie manche Frauen, die nach männlicher Aufmerksamkeit strebten, sondern neigte nur leicht ihr hübsches Haupt mit dem Samthut, unter dessen breiter Krempe einige seidige Locken ihres vollen braunen Haares hervorlugten und die glatte, pfirsichzarte Haut und die hohen Wangenknochen betonten. Über ihren bezaubernd dunklen, mandelförmigen Augen wölbten sich feine dunkle Brauen. Sie ist perfekt, dachte Caterina, nicht ein Fleckchen an ihr bedarf der Nachhilfe durch Schönheitsmittel.
    Lady Chester stand zwar kurz davor, die Halbtrauer abzulegen, trug jedoch noch dezente Farben, wie heute etwa eine dreiviertellange Pelisse aus blassviolettem Samt mit Schwanendaunenbesatz und darunter ein Tageskleid aus silbergrauer Seide. An ihrem Arm hing ein geräumiges, farblich passendes Retikül. Die einzige Zier ihrer eher schlichten Kopfbedeckung war eine silberne, auch mit Schwanendaune geschmückte Agraffe. Caterina dachte, dass die Wirkung all dessen auf die beiden Herren mindestens ebenso bemerkenswert anzusehen war wie Tante Amelies klassische Eleganz. Verstohlen nahm sie sich den auffälligen Schal ab, den sie unbedingt hatte tragen
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