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Silvermind (German Edition)

Silvermind (German Edition)

Titel: Silvermind (German Edition)
Autoren: T.S. Nightsoul
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er.

    Ray seufzte. Sein Kumpel verguckte sich viel zu schnell in irgendwelche Kerle. Mit Grauen dachte er an die unzähligen Abende, die Ray als Tröster hatte fungieren müssen. Ihm machte es zwar an sich nichts aus, nur hätte er Dean gerne unnötige Schmerzen erspart. Unglückliches verliebt sein war die schlimmste Krankheit, die es gab. Leider war sein Kumpel eine verdammte Augenweide. Ein kleiner süßer Twink, dem die schwulen Männerherzen zuflogen. Nur brach Deans immerzu, nie die der anderen. Deswegen war Ray gegenüber der Sache mit Zeno mehr als skeptisch eingestellt. Sein Kumpel sollte nicht als Objekt enden, das einmal benutzt und anschließend weggeschmissen wurde.

    „Was ist?“, riss ihn genau dieser aus den Gedanken und sah ihn von unten an. Strahlend blaue Augen brannten sich in seine. Ray schüttelte den Kopf.

    „Nichts. Schon gut.“

    Er hob den Blick, schaute an dem Vorhang aus Haaren vorbei und begegnete über die Entfernung hinweg drei Augenpaaren. Nero, Mark und Zeno starrten ihn regelrecht an. Ein ungewohntes Kribbeln rann Ray kalt über den Rücken.

    „Dean … verrate mir mal, warum die Typen aussehen, als wenn sie mich fressen wollen“, knurrte er dunkel. Sein Kumpel zuckte zusammen.

    „Ach, ich hab denen nur gesagt, dass du mein Freund bist“, nuschelte Dean und wich ihm aus.

    „Aha“, meinte er tonlos. Beide wussten, dass Ray diese Aussage nicht schluckte.

    ***

    Der Wecker klingelte viel zu früh. Verschlafen tastete Ray nach dem Handy und schmiss es glatt vom Nachttisch. Scheißteil. Er ließ den Titel dudeln, wischte sich müde über das Gesicht und öffnete blinzelnd die Augen. Er wollte nicht aufstehen. Die Nacht war zu kurz gewesen, der Schlaf hing ihm in den Knochen, der Alkohol immer noch fest im Kopf. Ray gähnte herzhaft, zog die Decke höher und schloss erneut die Augen. Nur noch fünf Minuten …

    „Mist!“

    Resigniert sah er auf die Uhr. Er hatte die Schicht verpasst. Die Pflegedienstleitung würde ihn umbringen. Ray rappelte sich auf, schob die Decke beiseite und ging ins Bad. Nachdem er sich seiner Shorts entledigt hatte, stieg er unter die Dusche, die Reste der Nacht beseitigend. Er würde bestimmt aussehen wie ein Waschbär, wenn er in den Spiegel guckte. Grummelnd griff er nach dem Duschgel, seifte sich ein, wusch den Schaum anschließend zügig ab. Danach schlang er ein Handtuch um die Hüften. Der Spiegel war beschlagen vom Wasserdunst. Mit einer fahrigen Bewegung wischte Ray das Glas frei.

    „Hätte ich lassen sollen“, murmelte er in den nicht vorhandenen Bart. Ein Waschbär sah im Vergleich zu ihm wirklich gut aus. Die Schminke war verlaufen, sein Nasenrücken angeschwärzt, die Augen waren kaum zu erkennen. Fluchend griff Ray nach Creme und einem Wattepad, versuchte das Gesicht halbwegs zu retten. Natürlich war dieses Unterfangen zwecklos. Ray sah genauso mies aus wie vorher, wenn auch die Spuren vom Kajal weitgehend beseitigt waren.

    Er zog seine Arbeitskleidung an, machte einen Abstecher in die Küche und schaute ins Wohnzimmer. Ihm bot sich ein vertrautes Bild. Sein Vater saß mit einer Schnapsflasche auf dem Sofa, der Fernseher lief, die Zigarette qualmte. Nichts Besonderes.

    „Ist Lora pünktlich in die Schule gekommen?“, informierte er sich, aber Roger zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. Wie immer.

    „Keine Ahnung. Musst du nicht arbeiten?“, meinte der abfällig. Ray ballte hinter dem Türrahmen die Faust.

    „Sag ihr, dass sie nachher auf mich warten soll“, erwiderte er, schlüpfte in seine Schuhe und verließ die Wohnung. Ihm fehlten wie so oft die Worte.

    Hätte Ray nicht Lora, seine dreizehnjährige Halbschwester, wäre er längst ausgezogen. Aber er konnte es nicht. Zu seiner Mutter hatte er keinen Kontakt, Loras war gestorben, übrig blieben also nur noch er selbst und sein Vater. Er wollte die Kleine nicht aus ihrem gewohnten Umfeld reißen. Wenn sie zu Hause schon keinen Halt fand, dann wenigstens bei ihren Freunden. Ray konnte so zumindest auf sie achtgeben.

    Er hatte versucht das Sorgerecht zu bekommen, war allerdings gescheitert. Laut Behörden bestand keine Notwendigkeit, dieses abändern zu lassen. In eine Pflegefamilie wollte er Lora nicht stecken, ein Heim kam nicht einmal annähernd infrage. Demnach blieb ihm nur die unbefriedigende Option, sie bei ihrem Vater wohnen zu lassen.

    Ray schüttelte den Kopf, stieg die Treppen zur U-Bahn hinunter und legte sich eine Ausrede für seinen Chef zurecht.
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