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Silver - Erbe der Nacht (German Edition)

Silver - Erbe der Nacht (German Edition)

Titel: Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
Autoren: Asia Greenhorn
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aus Blättern und Moos auf dem Waldboden. Nachts roch es hier nach Wasser und Gras, die Luft war feucht und frisch.
    Die Chiplins wären besorgt gewesen, wenn sie gewusst hätten, dass sie sich allein da draußen befand, fernab jeder Schutzmöglichkeit. Doch die milde Nacht umfing sie mit feinen Dunstschwaden, die vom Teifi, dem nahe gelegenen Fluss, aufstiegen, und der silberne Nebel spiegelte sich in ihren Augen.
    Hier, abseits vom Wohngebiet und seinen künstlichen Lichtern, umgaben sie gedämpfte Geräusche: ein leichtes Lüftchen über ihr, das Gurgeln des hinter dichten Bäumen verborgenen Flusses.
    Es war, als würde die Nacht ihre Sinne schärfen: Sie hörte die Dachse scharren, einen Fuchs entfliehen.
    Ihre Augen nahmen den Vollmond in sich auf, jeden Widerschein seiner Strahlen, die Kräuselungen in den Baumrinden.
    Sie konnte sich auf ein einzelnes Detail konzentrieren, bis alles andere darum herum verschwand, oder alles, was sie umgab, zugleich in sich aufnehmen und in eine eigenartig unstimmige Symphonie eintauchen. Die Stimme des Waldes.
    Für einen Augenblick fühlte sie sich stark und frei. Ihre Schritte verwandelten sich in einen Tanz.
    Dann erregte ein neues Geräusch ihre Aufmerksamkeit. Es gehörte nicht zum Wald, war aufdringlich, unpassend.
    Und plötzlich begriff sie: Es waren menschliche Stimmen.
    Eine raue, schroffe Stimme. Die andere gelassen und freundlich.
    Weit entfernt und irgendwie vertraut.
    Sie kannte die beiden Stimmen, und dennoch kamen sie ihr in dem Moment fremder vor als die Geräusche der Nacht.
    Sie hörten sich besorgt an, unangenehm.
    »Hier ist er entlanggekommen.«
    »Er war allein.«
    Winter brauchte nicht lange, um zu verstehen, von wem die Rede war.
    Ein Windstoß drang durch die Bäume und fegte den Dunst weg. Er trug einen neuen Geruch zu ihr …
    Es war nicht der Geruch eines wilden Tiers, sondern ein Aroma, das nach Finsternis schmeckte.
    Ein Vampir , dachte sie gleich.
    Er hatte sich bisher im Windschatten gehalten, sich ihr nur langsam und heimlich genähert, und jetzt beobachtete er sie von der gegenüberliegenden Seite der Waldlichtung.
    Reglos stand er da und Winter, die Haut von kalten Schauern gekräuselt, tat es ihm gleich, musterte ihn eingehend.
    In seinen dunklen, zerzausten, bis auf die Schultern fallenden Haaren hatten sich ein paar Laubblätter verfangen. Er war groß und kräftig. Doch das Unglaublichste an ihm war das Gesicht. Es war unmöglich, seine Gesichtszüge klar zu erkennen, so stark waren sie verzerrt, vom DURST vollkommen entstellt. Die Augen waren nur noch schmale Schlitze, glühend in fiebrigem Licht. Die Lippen waren leicht geöffnet und ließen spitze weiße Zähne aufblitzen. Es war die Fratze eines Wolfes im Jagdfieber.
    Winter hielt den Atem an.
    Der Vampir schaute in ihre Richtung, schien sie aber nicht zu sehen. Alle seine Sinne waren auf etwas anderes gerichtet.
    Er bewegte sich nicht, und dennoch schien es, als würde er zittern. Das Adrenalin schoss durch seinen Körper und ließ unsichtbare Energieströme vibrieren. Der DURST, der ihn antrieb, strahlte aus und überflog die Waldlichtung bis zu ihr. Drang durch die nackten Füße in ihren Körper ein und durchfuhr sie ohne Eile.
    Als er bis zu ihrer Brust vorgedrungen war, wurde Winter von Schwindel ergriffen und begann schwer zu atmen. Ihr Herz schlug im Takt mit dem des Vampirs. Ein heftiges Hämmern in ihrem Kopf setzte ein.
    Und plötzlich entlud sich die unbändige Energie und der Unbekannte preschte los zur Treibjagd.
    Winters Gedanken färbten sich blutig und der DURST drückte ihr die Kehle zu.
    Sie fuhr hoch und wurde sich nur verworren bewusst, dass sie sich nicht mehr im Wald, sondern bei den Chiplins in ihrer Mansarde befand.
    Doch das Letzte, woran sie sich erinnern konnte, war ein Wirbel aus Blättern, Baumstämmen und Zweigen, die ihren Lauf lenkten.
    Sie blinzelte.
    Jemand stand neben ihrem Bett und war keineswegs glücklich darüber, dass sie ihm das Handgelenk abdrückte.
    »Gareth?!«
    »Lass mich los«, sagte der Junge.
    Winter gehorchte. Sie musste ihm ziemlich wehgetan haben, denn ihre Finger waren so verkrampft, dass sie den Griff nur mit einer noch nie gekannten Kraft lösen konnte.
    »Was zum Teufel tust du hier?« Nein, sie war noch nicht ganz wach. Sie schüttelte den Kopf und versuchte es noch einmal. »Entschuldige. Tut mir leid.«
    Gareth massierte sich das endlich befreite Handgelenk, dann machte er eine versöhnliche Geste. »Umso besser. Es
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