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Silicon Jungle

Silicon Jungle

Titel: Silicon Jungle
Autoren: Shumeet Baluja
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Brief war nicht unterschrieben. Es gehe ihm gut, schrieb er, er vermisse sie entsetzlich, und er wisse nicht, wann oder ob er je wiederkommen könne. Aber er versprach, sich so oft er könne bei ihr zu melden. Er sagte ihr noch einmal, wie sehr er sie für das, was sie machte, bewunderte und wünschte ihr alles Gute für die Arbeit an ihrer Dissertation. »Falls wir uns je wiedersehen, werden das Leben und die Umstände ganz anders sein. So sehr ich das auch möchte, ich kann es nicht ändern«, schrieb er.
    Molly hatte bereits eine Entscheidung getroffen, auch wenn es ihr zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst war. Sie brauchte die Unterstützung von Menschen, die ihre Wut nachempfinden konnten und ihren Hass teilten – zunächst auf die Männer, die ihr Stephen weggenommen hatten, und dann auf all die Leute im Hintergrund, die sich durch ihr Schweigen weigerten, ihm zu helfen. Sie wollte zu den Menschen gehören, die handeln.
    Die Worte, mit denen sie von nun an ihrer Wut Luft machte, waren unmissverständlich. Die leidenschaftliche Unterstützung, die Resonanz und der treue Zuspruch vonseiten ihrer glühenden Anhänger gaben ihr die notwendige Entschlossenheit, ihren neu entdeckten Weg konsequent weiterzuverfolgen. Schon bald sollte sie zu jemandem werden, der imstande war, ihrem frischen, noch brennenden Hass alles andere unterzuordnen: Sahim.

EPILOG: ANFÄNGE
    25. Dezember 2009.
     
    »Was starrst du den Kaffeeautomaten denn so böse an?«
    Ein kleiner erschrockener Schrei entfuhr Stephen, und als er herumwirbelte, sah er Aarti, die ihn anlächelte. Er hatte gedacht, er wäre heute allein im Büro.
    »Was machst du denn hier?«
    »Dasselbe wie du, schätze ich. Hab ja sonst nicht viel zu tun. Meine Reisepläne wurden jedenfalls durchkreuzt.«
    »Ja, hab ich gehört«, erwiderte Stephen und wartete weiter darauf, dass der antiquierte Automat für die eingeworfenen 75 Cent endlich seine bittere Brühe ausspuckte. Er schlug mit der Faust dagegen, um das Ding ein wenig anzutreiben.
    »Wie wär’s, wenn du Molly noch mal schreibst, Stephen? Beim letzten Mal haben sie nichts gemerkt. Das ist jetzt sechs Monate her.«
    Als er den Blick nicht von dem Automaten nahm, sprach sie weiter.
    »Stephen, du bist doch todtraurig. Schreib ihr, ihr zuliebe und dir zuliebe.«
    Er sah sie an, als wollte er mit der gleichen Diskussion anfangen, die sie schon ein Dutzend Mal geführt hatten. Aber nicht heute. Er griff durch den Strahl Kaffee nach dem erst halb vollen Becher, drehte ihr den Rücken zu und wollte gehen.
    »Hey. Warte. Ich hab was für dich«, sagte sie, öffnete ihren Rucksack und hielt ihm ein Päckchen hin, das in rot-grünes Papier verpackt und mit einer glänzend goldenen Schleife umwickelt war. »Ich dachte, das heitert dich vielleicht auf.«
    Er blickte zwischen ihr und dem Päckchen hin und her. Dann nahm er es ihr langsam aus der Hand. »Danke.« Seine Schultern entspannten sich, und er stammelte eine Entschuldigung.
    Ein verlegener Moment verging. Erst als sie sich anschickte zu gehen, sprach Stephen weiter. »Hast du kurz Zeit? Ich hab auch was für dich. In meinem Büro.«
    Sie gingen gemeinsam durch das leere Gebäude und betraten das muffige Betontreppenhaus. »Und wieso bist du nun heute hier?«
    »Was soll ich denn sonst machen? Kein Kontakt zur Familie, kein Kontakt zu Freunden, weißt du noch? Das sind die Bedingungen für dich und mich«, sagte Aarti lächelnd. Dann fügte sie mit ihrem gedehnten britischen Akzent hinzu: »Zum Henker mit Alan.«
    »Ja, echt, zum Henker mit Alan«, erwiderte Stephen. »Im Gefängnis wär’s uns besser ergangen. Eine ruhige Kugel schieben, zusammen mit Wirtschaftskriminellen den lieben langen Tag Golf spielen oder was die so machen …«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir es wirklich so gut gehabt hätten – nicht, wenn es nach Alan gegangen wäre. Er hätte die Terrorgefahr hochgespielt, uns irgendwas untergejubelt, sich das nächstbeste Erschießungskommando gesucht oder einfach selbst abgedrückt, wenn sich die Chance geboten hätte. Auf jeden Fall wäre es unschön geworden. Was Ubatoo bestimmt nicht weiter gestört hätte. Wie Rajive diesen Deal hingekriegt hat, ist mir schleierhaft. Aber trotzdem, zum Henker mit Rajive«, sagte sie abschließend.
    »Genau, zum Henker mit Rajive, der uns zu seinen Spielbällen gemacht hat.«
    »Übrigens, du hast wohl noch nicht rausfinden können, wo Rajives neuste und vordringlichste globale Bedrohung zu verorten
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