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Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Titel: Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
Autoren: Linda Lael Miller
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zurück und blieb dort lange stehen, um die
Rosen zu betrachten und zu verstehen, warum ihr Anblick ihn so beunruhigte.
    Er schluckte plötzlich und
unterdrückte ein unerklärliches Bedürfnis, zu weinen.
    Eine grauhaarige Frau streckte den
Kopf aus der Tür und rief ihm lächelnd zu: »Hallo, Mr. Tremayne! Sind es nicht
die schönsten Rosen, die Sie je gesehen haben? Ich kaufte sie von einem
Nachbarn, er zieht sie selbst in seinem Wintergarten. Sie riechen ganz herrlich,
anders als die armen Dinger, die im Supermarkt verkauft werden.«
    Obwohl die Frau seinen Namen wußte
und ihn also kennen mußte, konnte er sich nicht an sie erinnern. Er lächelte
und betrat den Laden, getrieben von einer merkwürdigen Kraft, die von seinem
Unterbewußtsein ausging.
    Der Duft der Rosen war sehr zart,
aber er schien den ganzen Raum zu erfüllen und war stärker als der Duft all der
anderen Blumen, die im Laden ausgestellt waren.
    Aidan suchte acht der weißen Rosen
aus, die noch nicht voll erblüht waren, und legte Geld auf die Theke.
    »Auf Wiedersehen, Mrs. Crider«,
hörte er sich sagen, als er den Laden verließ. Er kannte den Namen der Frau also
doch, obwohl er sich nicht entsinnen konnte, ihr je begegnet zu sein.
    Wie eigenartig, dachte er.
    Zuhause fand Aidan eine Vase in
einem Dielenschrank und stellte die Rosen auf die Marmorplatte des antiken
runden Tisches in der Eingangshalle. Dann blieb er lange Zeit mit verschränkten
Armen davor stehen und fragte sich, wie der Anblick der Blumen ihm eine
derartige Befriedigung verschaffen konnte, obwohl er ihm gleichzeitig das
Gefühl eines überwältigenden Verlusts einflößte.
    Wahrscheinlich war er ganz einfach
ein bißchen verrückt, was ja auch nicht erstaunlich war angesichts der
Tatsache, daß er mitten in einem englischen Schneesturm splitternackt in einem
Kreis uralter Steine aufgefunden worden war!
    Du wirst es mit der Zeit schon
überwinden, sagte er sich und ging hinaus, um die Einkaufstüten aus dem Wagen
zu holen. Und doch verfolgte ihn der Duft der Rosen auch weiterhin, und er
kehrte immer wieder zu ihnen zurück, um sie zu betrachten.
    Etwas anderes ließ ihm ebenfalls
keine Ruhe, beschäftigte ihn sogar noch mehr als die Rosen. Es war der Name
Neely und das neuerworbene Wissen, daß sie an einem Ort namens Pine Hill lebte,
im fernen Colorado.
    Nach einem Steak, das er mit Appetit
verzehrte, zog Aidan sich in sein Arbeitszimmer zurück. Es quoll über von
Büchern, von denen er einige gelesen hatte, andere nicht. Die Bilder an den
Wänden waren ihm nur schwach vertraut, obwohl er wußte, daß er sie selbst
gemalt hatte.
    Er nahm einen Atlas aus dem Regal
und schlug die Seite mit der Karte der Vereinigten Staaten auf. Verwirrt,
fasziniert und wie besessen suchte und fand er Colorado und bemühte
sich, die Entfernung zwischen diesem Staat und Connecticut abzuschätzen.
    Wieder flüsterte er den Namen seines
geheimen Gespenstes: »Neely.« Wieder graste er sein Unterbewußtsein nach irgend
etwas anderem als diesem verblassenden Bild von ihr ab, aber es war zwecklos.
Er erinnerte sich an nichts, empfand nur eine bittersüße Trauer und eine
Sehnsucht, die ihm die Tränen in die Augen trieb.
    Plötzlich wurde Aidan von der
bedrückenden Sorge erfaßt, daß er das Gesicht vergessen könnte, vielleicht
sogar den Namen, wie er so viele andere Einzelheiten aus seiner Vergangenheit
vergessen hatte.
    Er suchte rasch Papier und Stifte,
setzte sich an seinen Schreibtisch und begann mit hastigen, fieberhaften
Bewegungen das Bild zu zeichnen, das sein Unterbewußtsein ihm diktierte. Als
die Zeichnung der schönen jungen Frau mit den großen, wachen Augen fertig war,
schrieb er »Neely« darunter und atmete erleichtert auf. Jetzt konnte ihr Bild
in seinem Bewußtsein verblassen; er würde nie wieder vergessen, wie sie
aussah.
    Aidan starrte die Zeichnung lange
an, prägte sich jeden einzelnen ihrer Gesichtszüge, jede Linie und Kurve ihres
Körpers ein.
    In einem großen Ledersessel saß Neely ihrer
Psychotherapeutin gegenüber und ermahnte sich im stillen, daß sie niemals die
Ereignisse der vergangenen Monate begreifen würde, wenn sie nicht endlich ganz
offen mit jemandem darüber redete. Und dennoch fiel es ihr unendlich schwer,
den Anfang zu machen.
    »Sie arbeiten im Steak-and-Saddle
Restaurant, nicht wahr?« fragte Dr. Jane Fredricks freundlich, während sie Neelys
Karteikarte betrachtete.
    Neely nickte, dankbar für den
sanften Anstoß. »Ja, ich kellnere dort. Ich will
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