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Signale

Signale

Titel: Signale
Autoren: Frederik Pohl
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vernachlässigtes anderes, das noch zu lösen wäre. Das vernachlässigte Problem ist in unserem Fall die lautlose Aussprache. Wir sind alle Lippenleser; selbst wenn die Bewegung der Lippenmuskeln so stark unterdrückt wird, daß sie fürs bloße Auge nicht erkennbar ist, formt der Kehlkopf doch alle Laute, die wir lesen – oder an die wir denken. Und Gruppen wie einseinseins Komma einseinseinsnull null Komma einseinsnulleinseins lassen sich nun einmal nicht sehr gut aussprechen.
    Ein Problem formulieren zu können bedeutet aber bereits einen Schritt zu seiner Lösung. Es ist offensichtlich, daß keine Schwierigkeit darin besteht, den Teilen der binären Zahl besser auszusprechende phonetische Werte zuzuordnen.
    Tatsächlich bedient man sich schon weitgehend eines solchen Systems. Wenn Sie in einer turbulenten Nacht in die Bank of Ireland – eine Bar in Chelsea – gehen, treffen Sie vielleicht auf zwei Offiziere der Handelsmarine, die ein lockeres privates Gespräch führen, bei dem keine Lauscher oder Mitsprecher erwünscht sind, trotz der geräuschvollen Umgebung. Sie werden feststellen, daß es vermutlich Funker sind, die untereinander mit Hilfe des Kodes sprechen. Es gibt ein weit verbreitetes Aussprachesystem für die Punkte und Striche des Morsealphabets: »dit« ist ein Punkt. »Dah« ist ein Strich. Wenn wir nun dieses System für unsere Binärzahlen übernehmen, opfern wir dabei etwas von seiner Leistung – zweifellos könnte man von gewissen phonetischen Grundsätzen aus ein geschlosseneres und klareres System erarbeiten. Aber es bietet einen großen Vorteil: Es funktioniert. Das brauchen wir nicht zu überprüfen oder zu bezweifeln, wir wissen, daß es funktioniert; während Jahrzehnten hat es bei unzähligen Funkern in der ganzen Welt funktioniert.
    Wir wollen »1« als »dit« und »0« als »dah« aussprechen. 111.11100.11011 wird dann zu dididit didididahdah dididahdidit.
    Und wir bemerken nun etwas Merkwürdiges. Wir hatten schon festgestellt, daß dem Binärsystem der Fehler innewohnt, daß seine Zahlen nach Definition immer weniger kompakt sind als die entsprechenden Dezimalzahlen.
    Wenn wir nun die Dezimalzahl 8091 in den Morsekode übertragen wollen, muß sie folgendermaßen ausgedrückt werden: dahdahdahdidit dahdahdahdahdah dahdahdahdahdit didahdahdahdah. Das sind vier Gruppen à fünf »bits« oder insgesamt 20 »bits«.
    Doch das binäre Äquivalent benötigt nur drei Gruppen mit insgesamt 13 »bits«, wie wir gesehen haben.
    Unser Zugeständnis war offensichtlich übereilt. In diesem besonderen Fall zumindest – und es ist schließlich ganz und gar kein unwichtiger – kann man das Binärsystem kompakter darstellen als das dezimale.
    Nachdem wir einen solchen Fall gefunden haben, sollten wir ermutigt sein, nach anderen zu suchen.
    Als ich ungefähr zehn Jahre alt war, schlugen wir Kinder die Zeit tot, indem wir bei langen Autoreisen ein Zahlenspiel machten. Wir griffen ein gemeinsames Phänomen heraus – Kühe oder Fords oder »Zu Verkaufen« -Schilder an den Farmen – und sahen, wer nach der abgemachten Zeit an meisten ausfindig gemacht hatte! Dies beschäftigte uns meistens während der ersten ein bis zwei Meilen und hielt uns davon ab, den Fahrer zu stören; es funktionierte aber auch kaum länger als zwei Meilen.
    Der Haken bei der Sache war, daß wir mit unseren Fingern zählten. Das funktionierte natürlich prächtig, solange die Zahl unter 10 lag. Es ging noch ganz gut bis 20, zur Not bis 30 – es war schließlich kein Hexenwerk, zu behalten, daß wir beim zweiten oder dritten Durchgang des Fingerzählens waren. Doch erreichten wir Zahlen, deren Höhe darüber lag, setzten wir sehr wenig Vertrauen in unser unterschiedliches Erinnerungsvermögen, um zu wissen, wie oft wir auf 10 gezählt hatten, und dann gingen gewöhnlich die Raufereien los.
    Wir zählten natürlich mit dem Dezimalsystem.
    Hätten wir mit dem Binärsystem mehr Erfolg gehabt?
    Spreizen Sie Ihre 10 Finger ab (wir wollen uns erst gar nicht in semantische Streitereien einlassen, ob der Daumen ein Finger ist oder – ich denke, Sie verstehen mich), und nun wollen wir sehen, was wir damit anfangen können.
    Wir werden zuerst eine Regel aufstellen. Ein ausgestreckter Finger bedeutet »1«, ein gekrümmter Finger bedeutet »0«.
    Ballen Sie nun die Fäuste und beginnen Sie zu zählen: Strecken Sie den rechten kleinen Finger aus. Das ist eins – sowohl im binären wie im Dezimalsystem.
    Ziehen Sie den kleinen Finger
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