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Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Titel: Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends
Autoren: Kai Meyer
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darauf keine Antwort gefunden.
    »Er will nach Goten schicken lassen« bestätigte Dea. »Ich hab’s genau gehört.«
    Daraufhin stand ihre Mutter auf und wandte sich wortlos zur Tür. Sie ging allein hinaus in den Wald, mit einem Gesicht so weiß wie frische Kuhmilch und Händen, auf denen sich blau jede Ader abzeichnete.
    Dea schaute ihr hinterher und wusste, dass sie erst spät am Abend zurückkehren würde, mit trockenen Blumen im Haar und aufgeschürften Knien. So sah sie immer aus, wenn sie im Unterholz niedergekniet war und zu den uralten Göttern des Waldes gebetet hatte.
    War etwa das der Grund, weshalb ihre Mutter den Hexenjäger fürchtete? Weil sie insgeheim noch immer eine Anhängerin des alten heidnischen Glaubens war?
    Dea war ratlos.
    Goten, dachte sie grübelnd. Der Hexenjäger.

Der Fremde
    Eine Woche später, an einem frühen Abend Ende Januar 999, hallte der Hufschlag eines mächtigen Rosses durch die Wälder rund um Giebelstein. Holzfäller sahen von ferne einen weißen Schemen hinter den Bäumen dahinziehen, gefolgt von dem knirschenden Geräusch eiserner Karrenräder, die tiefe Furchen in den Waldweg schnitten.
    Bald darauf kam auf der Dorfstraße ein wunderliches Gefährt zum Stehen – ein Wagen, beladen mit allerlei Kisten und Kästen, gezogen vom größten und stärksten Schimmel, den die Dorfbewohner je zu Gesicht bekommen hatten. Das Tier ähnelte eher einem Schlachtross als einem gewöhnlichen Zugpferd.
    Doch mochte das Ross auch eines Ritters würdig sein, so war die einsame Gestalt auf dem Wagen alles andere als ein stolzer Krieger. Der Mann trug eine dunkle Kutte und hatte sich seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Augen und Nase lagen im Dunkeln, nur sein Kinn ragte aus den Schatten. Seine Hände steckten in schwarzen Handschuhen aus Leder, seine Stiefel waren edel verarbeitet und zeugten von Reichtum. Ein Breitschwert lag neben ihm auf dem Kutschbock, und sein Besitzer sah aus, als wüsste er damit umzugehen.
    Trotzdem verriet ein silbernes Kreuz, das an einer Kette über seiner Brust baumelte, dass der Fremde ein Mann Gottes war.
    Goten war nach Giebelstein gekommen, und wer ihm begegnete, eilte rasch aus seinem Weg in den Schutz der Häuser. Innerhalb weniger Herzschläge war die Dorfstraße wie leer gefegt.
    Dea sah den Hexenjäger zum ersten Mal, als er die Stufen zum Wirtshaus hinaufstieg. Eigentlich erkannte sie nicht viel mehr als eine schwarze Gestalt, die hastig im Inneren des Gebäudes verschwand; es hätte ebenso gut der Schatten eines großen Raubvogels am Himmel sein können, der für einen Moment auf Giebelstein und seine Bewohner gefallen war.
    Ein paar kleine Kinder näherten sich verstohlen dem Karren und warfen neugierige Blicke auf die Kisten, die auf der Ladefläche gestapelt waren. Doch als sie sich auf weniger als drei Schritte heranwagten, stieß das weiße Ross ein kraftvolles Schnauben aus, stampfte mit den Hufen und fletschte das riesige Gebiss. Nicht einmal Goten selbst hätte die Kleinen schneller in die Flucht schlagen können.
    Dea umrundete das Wirtshaus, um nachzusehen, ob sie erkennen konnte, in welchem Zimmer sich der unheimliche Mann einquartiert hatte. Vergeblich. Falls sich Goten tatsächlich in einer der Kammern aufhielt, so hatte er keine Kerze entzündet.
    Es war schon spät, als sie schließlich nach Hause lief. Irgendetwas sagte ihr, dass es wichtig war, ihrer Mutter von Gotens Ankunft zu berichten. Dea war gespannt, wie sie auf die Neuigkeit reagieren würde. Würde sie wieder hinaus in die Wälder gehen, zu einem der alten Kultplätze, und auf ihren Knien den halb vergessenen Gott der Bäume mit seinem mächtigen Hirschgeweih anflehen?
    Doch als Dea ihre Hütte erreichte, erlebte sie eine Überraschung. Keine erfreuliche.
    Die Tür war von innen verriegelt. Hinter einem der Fenster, die mit halb durchsichtigen Häuten bespannt waren, erkannte sie den Umriss ihrer Mutter. Doch als Dea sie rief, gab sie keine Antwort. Tat einfach, als sei niemand daheim.
    »Was ist los?« fragte Dea und pochte erneut gegen die Tür. »Warum lässt du mich nicht rein?«
    Keine Antwort.
    »Mutter? Warum redest du nicht mit mir?«
    Freilich war es nicht das erste Mal, dass ihre Mutter beleidigt tat. Doch für gewöhnlich kannte Dea zumindest den Grund.
    Jetzt aber konnte sie sich beim besten Willen nicht erinnern, wie sie ihre Mutter verärgert haben könnte.
    »Mutter! Mach bitte auf!«
    Noch immer blieb es still in der Hütte.
    Dea wurde allmählich
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