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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel
Autoren: Frank S Becker
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mit der Rechten gegen die Bohlen des Tores pochte. Dreimal. Kräftig, doch nicht zu hastig, um nicht den Anschein zu erwecken, dass man hier voller Ungeduld Einlass begehre. Eine Klappe in der Mauer öffnete sich, unter buschigen Brauen spähten zwei Augen heraus.
    »Ich bringe Padraich, meinen Sohn«, sagte die Frau, und jetzt zitterte ihre Stimme leicht.
    Die Klappe schloss sich, während der Junge seine Mutter rasch ein letztes Mal umarmte. Schritte waren zu hören, dann knirschte ein Riegel und die Türe schwang auf. Der Pförtner, krumm gewachsen wie eine vom Wind gebeugte Eiche, trat heraus. Er beäugte den Jungen, der groß war für sein Alter, doch mager; mit rotblonden Haaren, die sich zu einem wilden Schopf verknäulten, der jedem mütterlichen Kamm widerstand. Blaue Augen blitzten aus einem mit Sommersprossen übersäten Gesicht von auffälliger Ebenmäßigkeit.
    »Soso, ein neuer Gast Gottes«, nuschelte der Mann durch zwei fehlende Vorderzähne, wobei sich die Runzeln in seinem wettergegerbten Gesicht zu einem Lächeln verzogen. Er trug einen graubraunen, geflickten Umhang. Sein eisgraues Haar war kurz geschnitten, doch nicht zu einer Tonsur geschoren. Derjenige, der über die Verbindung der Klosterbrüder mit der Außenwelt wachte, war selbst nur ein Laienbruder.
    »Soso, Padraich heißt du also, ein schöner Name.«
    Mit großen Augen blickte der Junge den Pförtner an. »Mein Vater hieß so, und mein Großvater, und …«
    »Jaja, viele tragen diesen Namen«, nickte der Pförtner bedächtig, »seit der heilige Padraich uns vor zwei Jahrhunderten den Glauben gebracht hat. Kommt rein.«
    Nachdem er das Tor wieder geschlossen hatte, ergriff er die Hand des Jungen, der sich umdrehte und seiner Mutter einen Blick zuwarf, in dem sich Angst mit Stolz mischte.
    »Ein großer Heidenbekehrer war er, der heilige Padraich, jaja«, meinte der Pförtner wie zu sich selbst, während er den freien Platz hinter dem Tor gemächlich durchschritt, gefolgt von dem Jungen und der Frau, die sich scheu umblickte. »So voller Gotteseifer war der Heilige, dass er auf dieser grünen Insel keinen zum Bekehren mehr übrig gelassen hat, jaja.«
    Sie näherten sich einem aus Holzlatten errichteten Zaun, der sich von der Umfassungsmauer bis zu einem größeren Bau erstreckte, aus dessen Schornstein dichter Rauch quoll. »Weit wirst du einmal reisen müssen, mein kleiner Padraich, wenn du deinem Namen Ehre machen willst«, schmunzelte der Pförtner. »Aber was rede ich da. Noch bist du nicht einmal richtig hier, schon schwätzt der dumme alte Cutbercht vom Aufbrechen, jaja …«
    Bei diesen Worten hatten sie ein kleines Gattertor im Zaun erreicht. Der Pförtner öffnete es, bedeutete den beiden zu warten und schlurfte zu dem nächsten Kegelhaus. Es war aus unbehauenen Steinen aufgeschichtet, die Ritzen mit trockenem Moos verstopft, die grobe Bohlentüre stand offen. »Bruder Eirenäus, ich bringe den neuen Schüler«, rief der Pförtner hinein.
    Ein Mann trat kurz darauf heraus, bei dessen Anblick der Junge unwillkürlich nach der Hand seiner Mutter fasste. Der Mönch war in eine weiße Kutte gekleidet, der vordere Teil des Schädels bis zu den Ohren kahl geschoren, während hinten die Haare lang über die Schulter wallten. Doch was den Jungen am meisten verstörte, war das bärtige Gesicht. Aus der braunen Haut, die auch unzählige irische Winter nicht hatten bleichen können, musterten ihn zwei scharfe Augen, deren Lider dunkel gefärbt waren.
    Der Mönch durchschritt das Gattertor. »Habt ihr keine Zeugen mitgebracht?«
    »Nein«, antwortete die Frau verlegen, »wir kennen leider niemanden, der die Zeit gefunden hätte, mit uns zu kommen …«
    »Ich hole einen der Knechte aus der Brauerei«, nuschelte Cutbercht eilfertig und kehrte wenig später mit einem Mann mittleren Alters zurück, der sich seine Hände an einer Schürze abwischte.
    Padraich wurde gefragt, ob er als Schüler in das Kloster kommen wolle, um später Mönch zu werden, und murmelte ein leises »Ja«.
    »Du bist dir bewusst, für was du dich entscheidest? Dass hinfort hier deine Familie ist und du keine Verbindung mehr zu deiner Mutter oder deinen Schwestern haben wirst?«
    Der Junge sah Hilfe suchend zu seiner Mutter, und als sie nickte, antwortete er erneut mit »Ja«.
    »Dass die Liebe zu Gott, der Wille zur Buße und das Streben zur Abtötung irdischer Begierden dich ganz und gar erfüllen sollen?«
    Der Mönch mit der Stirnglatze musterte den Knaben
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