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Showdown

Showdown

Titel: Showdown
Autoren: Dirk Müller
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politische Entscheidung einmal gefällt ist, dann genügen aller Sachverstand und alle Logik nicht, um diesen falschen Weg zu beenden. Erst die offensichtliche und nicht mehr zu verdrängende Katastrophe führt zu überraschtem Entsetzen und hektischer Aktivität, wobei die Politik so lange wie möglich versucht, keine Fehler einzugestehen und sich irgendwie aus dieser Misere herauszuwurschteln. Manch ein Vertreter der Zunft nimmt sich da sogar gerne die Kinder auf dem Spielplatz als Vorbild, hält sich die Augen zu und ruft: »Wenn ich dich nicht sehe, siehst du mich auch nicht!« In Politikersprache übersetzt heißt das dann: »Eurokrise? Welche Eurokrise? Es gibt keine Eurokrise!« So geäußert von Italiens Ex-Präsident Mario Monti, Bundeskanzlerin Angela Merkel, EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen und so weiter.
    Bei einer solchen Herangehensweise ist klar, dass man von den Entwicklungen völlig überrascht wird. Das führt zu so ulkigen Einschätzungen wie: »Der Euro hat zehn Jahre toll funktioniert, und so plötzlich wie unerwartet kommen hier Probleme auf, an denen nur die Banken und die Ratingagenturen schuld sind.« Aber schauen wir doch mal, wo das Kernproblem der gemeinsamen Währung liegt.
    Jede Wirtschaftsregion (Region mit gemeinschaftlichen Regeln und Zusammenarbeit) braucht die Währung, die zu seiner Leistungsfähigkeit passt. Ansonsten führt es zu schweren Problemen. Was in diesen beiden Sätzen so schrecklich abstrakt klingt, ließ sich wunderbar in einem kleinen realen Experiment an unserer deutschen Südgrenze beobachten. Im Jahr 2008 stand der Euro bei 1 , 60 Schweizer Franken. Das bedeutet, man musste für einen Euro genau einen Franken und 60 Rappen berappen. In den zehn Jahren zuvor pendelte dieser Wechselkurs gemächlich zwischen 1 , 45 und 1 , 70 . Die Schweizer Wirtschaft entwickelte sich prächtig, und der Export (vornehmlich in die Eurozone) lief glänzend. Doch Ende 2008 , Anfang 2009 fingen die Menschen in der Eurozone an, ihrer Währung zu misstrauen. Wie immer in solchen Zeiten sucht man nach Sicherheit, und dann fällt einem sogleich die Trutzburg in den Alpen ein. Die politisch stabile Schweiz mit den sicheren Banken und den vertrauenerweckenden Fränkli, seit vielen Jahrzehnten Inbegriff der Stabilität. In der Folge kauften viele EUROpäer jene Franken und gaben dafür nur allzu gerne ihre Euros her. Wie immer, wenn viele das Gleiche wollen, steigt der Preis. Der Franken wurde immer beliebter und somit immer teurer. Man bekam für einen Euro nur noch 1 , 40 SFr. (Schweizer Franken), im Jahr 2010 noch 1 , 30 SFr.
    2011 brachen schließlich alle Dämme. Die Flucht in den Schweizer Franken wurde zur Massenbewegung. Inzwischen verschoben die Griechen riesige Summen in die Alpen, um sich vor einer möglichen Zwangsumstellung auf die Griechische Drachme zu schützen. Auch hier bemühen wir wieder ein Bild vom Kinderspielplatz. Sie kennen diese Wippbalken, die wie eine große Waage funktionieren. Geht es mit dem einen Balkenende nach oben, geht es für den anderen nach unten. Der Euro stürzte ab, und der Schweizer Franken schoss durch die Decke. Diese Decke erreichte er für wenige Tage im August 2011 , als es für einen Euro nur noch einen Schweizer Franken gab. An der Börse nennt man diese Situation Parität – Gleichstand. Was aber beim Fußball für eine versöhnliche Feier beider Mannschaften führt, hatte für die Schweizer Wirtschaft schwerwiegende Folgen.
    Dazu wechseln wir kurz auf die andere Seite des Bodensees und versetzen uns in die Lage eines Eidgenossen. Vor einem Jahr hätte er für einen BMW in Deutschland noch 75 000 SFr. bezahlt. Plötzlich erzählt ihm sein Nachbar, dass es durch den günstigen Wechselkurs in Deutschland jetzt den gleichen Wagen für 50 000 SFr. gibt. Die Hausfrau erfährt beim Kaffeeklatsch, es gebe wenige Kilometer entfernt das Toastbrot für einen Franken statt für 1 , 50 SFr. wie bisher, und überhaupt seien alle Einkäufe um ein Drittel billiger geworden, wenn man nur über die Grenze zu den Deutschen fahre. Nicht nur die schwäbische Hausfrau wird hier schwach, sondern auch der Eidgenosse, und so war im beschaulichen Städtchen Konstanz am Bodensee plötzlich der Wahnsinn ausgebrochen. Die Schweizer kamen in Horden über die Grenze, so dass sich manch einer an die Szenen bei der Maueröffnung in Berlin erinnert fühlte. Aber die Schweizer wollten kein Begrüßungsgeld, sie brachten jede Menge Geld mit und wollten Waren. In Konstanz
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