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Showdown

Showdown

Titel: Showdown
Autoren: Dirk Müller
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den vermeintlich kürzesten Weg geradeaus durch ebenjenen Sumpf einzuschlagen. Europa steht vor derselben Entscheidung, doch leider können wir uns bislang weder für rechts noch für links entscheiden und marschieren, lautstark debattierend, weiter geradeaus. Dass dies in einer Tragödie enden muss, ist jedem objektiven Beobachter klar, aber das Rufen und Mahnen bleibt ungehört in der lautstarken Diskussion. Internationale Banken und Spekulanten, aber auch Großmächte mit eigener Interessenlage sitzen bereits wie die Geier auf den umstehenden Bäumen und wetzen die Schnäbel. Sie alle freuen sich auf die leckere Mahlzeit, die ihnen hier angerichtet wird.
    Der größte Hemmschuh und somit auch das umstrittenste Thema im europäischen Einigungsprozess ist der Euro. Sein Sinn oder Unsinn wird allerorten heiß diskutiert, und fragt man die Menschen auf der Straße, so sind sie hin- und hergerissen. Die einen sind strikte Euro-Gegner, die anderen finden ihn eigentlich ganz gut, die richtigen Hintergründe des Euro versteht niemand so recht, und das macht es schwer, eine klare Position zu beziehen. Folglich ranken sich viele Mythen und Behauptungen um jenen Euro. Wenn man die aktuellen Entwicklungen in Europa verstehen möchte, ist es ungeheuer wichtig, die Zusammenhänge des Euro zu kennen.
    Aber der Reihe nach, und dazu beginnen wir am besten ganz vorne.
    Als vor 13 , 7 Milliarden Jahren der Urknall … Stopp! Ganz so weit vorne zu beginnen würde dann doch die Kapazitäten dieses Buches sprengen, obwohl wir uns ja eigentlich schon an diese astronomischen Zahlen gewöhnt haben. Also spulen wir vor auf das Jahr 1989 nach Christus. Eine sensationelle Situation hatte sich ergeben. Der Kalte Krieg war gewonnen, das sowjetische Imperium zog sich immer weiter auf sein Kerngebiet zurück, und als Nebenprodukt ergab sich die historische Chance, einen dunklen Fleck vom ach so schmuddeligen Kleid der deutschen Geschichte zu entfernen. Für einen kurzen Moment öffnete sich ein Zeitfenster, und es bestand die einmalige Gelegenheit, die jahrzehntelange gewaltsame und künstliche Aufteilung eines Volkes rückgängig zu machen. Die deutsche Teilung konnte aufgehoben werden. Die Wiedervereinigung war zum Greifen nahe. Die Sowjets, die diese Teilung zu verantworten hatten, waren einverstanden. Wir lagen uns am Brandenburger Tor in den Armen, begrüßten hupend und winkend jeden Trabi, der uns auf der westdeutschen Autobahn begegnete, und waren davon überzeugt, dass die westlichen Alliierten mit ebenso großer Begeisterung und wehenden Fahnen mit uns diese Wiedervereinigung feiern würden. Doch da erlebten wir plötzlich eine schockierende Ernüchterung. Nicht die Sowjets waren der große Hemmschuh, sondern ausgerechnet diejenigen, von denen wir die ganze Zeit annahmen, dass sie in allen Belangen unsere Freunde und Waffenbrüder seien. Die Franzosen stellten sich als der größte Felsblock auf dem Weg zur ersten gesamtdeutschen Fanmeile am Brandenburger Tor heraus. Was mag wohl im Kopf des französischen Präsidenten Mitterrand vorgegangen sein, als der amerikanische Präsident Ronald Reagan am 12 . Juni 1987 in seiner legendären Rede vor dem Brandenburger Tor rief: »Mr. Gorbachev, come here to this gate! Mr. Gorbachev, open this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall!«
    Mag er gedacht haben: Um Gottes willen! Nur das nicht!? – Wir werden es wohl nie erfahren. Was sich aber dann in den Verhandlungstagen um die deutsche Wiedervereinigung abspielte, das erfahren wir inzwischen durch Zeitzeugen, die damals dabei waren und heute – mit entsprechendem zeitlichem Abstand – freier reden können.
    Die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens waren keineswegs begeistert von einer deutschen Wiedervereinigung. Die damalige britische Regierungschefin Margaret Thatcher, die »Eiserne Lady«, erklärte, dass Deutschland seit den Zeiten Bismarcks ein unberechenbarer Faktor in Europa sei und ein wiedervereinigtes Deutschland erneute Risiken für ein friedliches Europa mit sich brächte. Sie wird zitiert mit den Worten: »Wir haben Deutschland zweimal besiegt, und jetzt sind sie schon wieder da!« Erst das klare Bekenntnis der USA zu einem einzigen Deutschland hat Großbritannien am Ende einlenken lassen, um es sich mit dem großen Bruder nicht zu verscherzen. Für die USA war eine Erweiterung der NATO und der eigenen Einflusssphäre in Richtung Moskau eine zu verlockende Aussicht, als dass man all das innereuropäischen
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