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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram
Autoren: Gregory David Roberts
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dass sie mit ihrer Geduld am Ende seien und er mit diesem Coup seine letzte Karte ausgereizt hätte. Sie wollten Frieden – und Wohlstand natürlich –, und wenn er seine Männer nicht zur Räson bringen könne, würden sie es für ihn tun. Und übrigens, fügten sie noch hinzu, nachdem sie seine zehn Millionen Rupien Schmiergeld entgegengenommen hatten und im Begriff waren, ihn wieder auf die Straße zu setzen, diesen Abdullah aus deiner Truppe wollen wir nie wieder zu Gesicht kriegen. Nie wieder. Der war schon mal tot in Bombay. Und wenn wir ihn irgendwo sehen müssen, wird er wieder tot sein, aber diesmal richtig …
    Nachdem wir wochenlang abgetaucht waren, kehrten wir nach und nach in die Stadt zurück und gingen wieder unserer jeweiligen Arbeit nach, die wir für den Sanjay-Klan, wie er nun hieß, übernommen hatten. Ich hatte mich in Goa versteckt und widmete mich nach meiner Rückkehr wieder mit Villu und Krishna dem Passgeschäft. Als mich schließlich die Nachricht erreichte, dass wir uns alle an der Haji-Ali-Moschee treffen würden, fuhr ich mit der Enfield dorthin und schritt gemeinsam mit Abdullah und Mahmud Melbaaf durch die schwappenden Wellen zum Schrein hinüber.
    Mahmud kniete als Vorbeter vor unserer Gruppe. Wir waren alleine auf dem kleinen Balkon, einem von vielen an der Moschee. Mahmud neigte sich gen Mekka, und während der Wind sein weißes Hemd aufbauschte und es wieder erschlaffen ließ, sprach er für alle Männer, die hinter ihm knieten oder standen:
Alles Lob gebührt Allah, dem Herrn der Welten,
dem Allererbarmer, dem Barmherzigen,
dem Herrscher am Tage des Gerichts!
Dir allein dienen wir, und dich allein bitten wir um Hilfe.
Führe uns den geraden Weg …
    Farid, Abdullah, Amir, Faisal und Nasir – der muslimische Kern des Klans – knieten hinter Mahmud. Sanjay war Hindu, Andrew Christ. Sie knieten hinter den Betenden, neben mir. Ich blieb stehen, senkte den Kopf und faltete die Hände. Ich kannte die Gebete und die dazugehörigen Gesten – das Aufstehen, Knien, Verbeugen – und hätte mich ihnen anschließen können. Mahmud und die anderen hätten sich sehr darüber gefreut, das wusste ich, doch ich konnte mich nicht dazu durchringen. Die Trennung, die sie so mühelos vollzogen – das verbrecherische Leben auf der einen Seite und das fromme Leben auf der anderen –, war für mich nicht machbar. Ich sprach auf meine Weise zu Salman, flüsterte, dass er Frieden finden möge, wo immer er auch sei. Doch ich war mir der Finsternis in meinem Herzen zu bewusst, um mehr als dieses winzige Gebet zu sprechen. Stumm stand ich da und fühlte mich wie ein Hochstapler, ein Spion auf dieser Insel der Andacht, während der amethystfarbene Abend die betenden Männer mit violettgoldenem Licht segnete. Und die Worte aus Mahmuds Gebet schienen mir passender Ausdruck meiner verwitternden Ehre und meines verfallenden Stolzes zu sein: … nicht den Weg derer, die deinen Zorn erregt haben und nicht den Weg der Irregehenden …
    Nach dem Gebet umarmten wir uns alle, wie es Brauch war, und gingen über den Pfad zum Ufer zurück, Mahmud allen voran. Auf seine eigene Art hatte jeder von uns gebetet, und wir hatten alle um Salman geweint, aber wir sahen nicht aus wie fromme Besucher des heiligen Schreins. Wir trugen Sonnenbrillen und neue modische Kleidung.Alle außer mir trugen etwa die Einkünfte eines Jahres aus dem Schmuggelgeschäft in Form von Goldketten, teuren Uhren, Ringen und Armbändern am Leib. Und wir hatten den typischen Gang, diesen leicht tänzelnden Gang durchtrainierter kampfbereiter Gangster, die bewaffnet und gefährlich sind. Wir bildeten eine bizarre Prozession, die so bedrohlich wirkte, dass wir die Bettler am Wegrand regelrecht überreden mussten, die Bündel von Rupienscheinen anzunehmen, die wir als Almosen für sie mitgebracht hatten.
    Die Männer hatten drei Autos an der Küstenmauer geparkt, ziemlich genau an der Stelle, an der ich mit Abdullah an jenem Abend gestanden hatte, als ich Khaderbhai kennen lernte. Ich hatte mein Motorrad weiter hinten abgestellt und blieb bei den Autos stehen, um mich zu verabschieden.
    »Komm doch mit zum Essen, Lin«, sagte Sanjay mit aufrichtiger Herzlichkeit.
    Ich wusste, dass ein solches Essen nach der wehmütigen Stimmung beim Schrein guttun würde und dass es diverse Drogen und eine Reihe fröhlicher hübscher alberner Mädchen geben würde. Ich war dankbar für das Angebot, lehnte es aber ab.
    »Danke, Mann, aber ich bin mit jemandem
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