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Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)

Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)

Titel: Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)
Autoren: Kim Lenox
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erreichte, schaute sie sich um, aber Mrs Hazelgreaves war nirgends zu sehen. Auch Mr Jarvis, der Kammerherr, befand sich nicht in der Nähe. Der Eingangsbereich war in Dunkelheit gehüllt, als lägen das Personal und das Haus selbst längst schon in tiefem Schlaf. Nur zwei kleine Lampen zu beiden Seiten der hölzernen Eingangstüren erhellten die hohe Halle. Sie hoffte, dass Mr Jarvis nicht vergessen hatte, dass sie heute Abend ausgehen wollte. Sie kam am Erkerfenster vorbei und schob den Vorhang beiseite, um festzustellen, ob die Kutsche vielleicht schon von den Stallungen her vorgefahren war. Die lange, vor dem Haus in einem Bogen verlaufende Auffahrt erstreckte sich bis zur Straße, leer und nass.
    Aber wie seltsam, die hohen Eisentore standen offen. Für gewöhnlich achtete das Personal peinlich darauf, sie geschlossen zu halten.
    Ein kühler Luftzug strich durch den Fensterrahmen und ließ Elena frösteln. Sie trat zurück und wollte mit der Tischglocke nach Mr Jarvis läuten, aber da erregte ein Lichtschimmer ihre Aufmerksamkeit. Ein schmaler Strahl fiel aus einem Vorraum des Arbeitszimmers. Seit sie in Black House lebte, war der Raum noch nie benutzt worden. Sie hatte ihn auch nie von innen gesehen, weil die Tür immer verschlossen gewesen war. Vielleicht würde sie Mr Jarvis oder auch den Empfangsdiener in dem Raum antreffen. Sie durchquerte das Vorzimmer und achtete darauf, nicht gegen irgendwelche dunkel gepolsterten Möbel zu stoßen …
    Möbel, die normalerweise mit ungebleichtem Leinen verhüllt waren.
    Sie klopfte an. »Mr Jarvis?«
    Keine Antwort. Sie drückte ein wenig gegen die Tür – gerade genug, um hineinzuschauen.
    Am gegenüberliegenden Ende des Raums brannte in einem mehr als mannshohen, kunstvoll gekachelten Kamin ein Feuer. Sie konnte die Wärme auf ihrem Gesicht spüren. Überall standen Truhen und Koffer, einige offen, andere noch mit Lederriemen zugebunden. Ein leises Rascheln von Papier drang aus dem Raum. Ihr Herzschlag beschleunigte sich.
    Ein Reisender ist nach Hause zurückgekehrt.
    Eine große Topfpalme versperrte ihr die Sicht auf den Schreibtisch. Sie wagte sich hinein. Wie sie vermutet hatte, saß ein Mann am Schreibtisch.
    Lord Black.
    Sie rang die zitternden Hände. Er war alles, was sie sich von ihm erhofft hatte, und wunderbarerweise ganz anders als das Bild von ihrem Vater. Elegant, mit einem Schnurrbart und grauem Haar, brütete er mit konzentriertem Stirnrunzeln und kritischem Auge über einem Rechnungsbuch. Ja – mit einem Auge – denn das andere wurde durch eine schwarze Klappe verdeckt! Faszinierend. Sie konnte es kaum erwarten zu hören, wie er es verloren hatte – vielleicht an westindische Piraten oder an einen Stamm unzivilisierter Eingeborener.
    Achtzehn lange Monate hatte sie auf diesen Moment gewartet. Endlich würde ihre Neugier befriedigt, würden ihre Fragen beantwortet werden. Sie holte tief Luft und trat näher.
    »Lord Black?«
    Er rührte sich nicht. Er fuhr fort, über den Dokumenten zu brüten, und griff sogar nach einem Stift, um rasch eine Notiz niederzuschreiben. Konnte es sein, dass ihr Vormund schwerhörig war? Sie suchte auf dem Schreibtisch nach einer Ohrtrompete, sah aber nichts dergleichen.
    »Lord Black«, sagte sie ein wenig lauter.
    Diesmal schaute der Mann auf. Ein scharfsichtiges, intelligentes Auge musterte sie von Kopf bis Fuß. Er lächelte.
    »Euer Lordschaft.« Sie lächelte warm und machte einen Knicks. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, endlich Ihre Bekanntschaft zu machen.«
    Er lächelte immer noch.
    Donner dröhnte über dem Haus, und Wind ließ die Scheiben der Fensterfront klirren, die sich über die ganze hintere Wand des Raums zog. Nach einer ziemlich langen Zeitspanne des Lächelns und Starrens begann sich Elena vollkommen töricht zu fühlen.
    »Lord Black, ich …«
    »Er ist nicht Lord Black«, verkündete eine Männerstimme hinter ihr, so tief und ruhig, dass die Worte wie der Atemzug eines Liebhabers über ihre Haut strichen.
    Der erheiterte Blick des älteren Herrn wanderte zu einem Punkt, der hinter ihr lag.
    Elena drehte sich um. Ihre Augen weiteten sich.
    Flackerndes Lampenlicht offenbarte die Silhouette eines Mannes, der in einer kleinen, abgeteilten Nische des Arbeitszimmers stand. Eines hochgewachsenen und bis auf das schmale, leinene Handtuch, das er stramm um die Hüfte gewickelt hatte, nackten Mannes. Seine Haut glitzerte feucht und golden. Hinter ihm stand eine emaillierte
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