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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen
Autoren: Sabine Werz
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hält Englands Regentin – so will es das Protokoll – um die Hand des Prinzen an. Der Prinzgemahl macht es sich zu seiner vornehmsten Aufgabe, das Privatleben als Staatsaffäre in die Hand zu nehmen und in neue, vorzeigbare Bahnen zu lenken. Politisch hat »offiziell« seine Frau das Sagen, daheim er.
    Die Beleidigungen, mit denen die Presse ihn in England empfangen hat, will er nicht auf sich sitzen lassen. Die »Times« hat Victorias Gatten voll Verachtung empfangen. Als »halb verhungerten« Bewohner eines »verlausten deutschen Schlosses, den man des Nachts mit Schwefeldämpfen entlausen müsse, während seine Kleidung zwecks Wanzenbekämpfung in den Backofen gehöre.
    So etwas wie seine »lausige« Gefolgschaft, so ätzt die »Times«, fände sich in England nur in den Slums, in Deutschland hingegen in allen sogenannten Palästen. Böser geht’s nicht. Und wir sehen mal wieder: »Schmutzkampagnen« haben nichts mit den wirklichen persönlichen Hygienevorstellungen geschmähter Blaublüter zu tun.
    Und Prinzgemahl Albert versteht das auch richtig. Er kontert nicht mit häufigerem Rasieren, sondern indem er für Buckingham Palace und auf Schloss Windsor eine beispiellose Imagekampagne unter dem Motto »moralisch porentief reines Familienleben« verfügt. Keine schlechte Idee nach dem, was die Hannoveraner Prinzen sich so geleistet haben.
    Und auch Victoria zeigt sich begeistert, nicht so sehr von der neuen Moral, sondern davon, dass ein starker Mann an ihrer Seite die Führung übernimmt. Ihr Leben lang wird sich die »Matriarchin Europas« Männer zum Anlehnen suchen. Über ihren Prinzgemahl schreibt sie in einem Brief an eine Tochter später:
    Ich kann nie glauben oder zugeben, dass irgendein anderer Mensch vom Schicksal so gesegnet worden ist wie ich, mit einem solchen Mann, einem solch vollkommenen Mann. Papa war für mich alles, ist es auch heute noch. (…) Er war für mich alles, mein Vater, mein Beschützer, mein Führer, mein Ratgeber in allen Dingen, ich möchte fast sagen, er war mir Mutter und Mann zugleich. (…) Ich bin wie gelähmt, wenn er nicht bei mir ist.
    Klingt schön, ist auch sicher so gemeint, es ist aber nur die eine Seite der Medaille.
    Die Ehe zwischen Victoria und Albert ist eine zeittypische Liebesheirat. Und nach einigen Jahren Ehe- und Mutteralltag finden sich bei Victoria auch Sätze wie diese: »Ich bin sicher, dass kein Mädchen zum Altar gehen würde, wenn sie alles wüsste.«
    Nichtsdestotrotz geht die junge leidenschaftliche Victoria ihre Ehe mit Liebe, Lust und alles andere als viktorianisch verklemmt an. Wenn die frisch Vermählte im Bett mit Albert die Augen schließt, denkt sie keinesfalls nur an England. Eine Sentenz, der ihr später in den Mund gelegt wurde, um ihre angeblich »prüde Sexualmoral« zu entlarven.
    In jungen Jahren und rein privat trifft eindeutig das Gegenteil zu.
    Am Morgen nach der Hochzeitsnacht erstattet Victoria ihrem Premier und Exflirt Lord Melbourne in einem Brief recht genau Bericht über die Geschehnisse im Palastbett:
    »Es war eine befriedigende und erstaunliche Erfahrung. Ich habe noch nie, noch nie einen solchen Abend verbracht. Seine außerordentliche Liebe und Zuneigung verschaffte mir Gefühle unendlicher Liebe und Glückseligkeit. Er schloss mich in seine Arme, und wir küssten einander wieder und wieder.«
    Neun Monate später ist die Königin bereits guter Hoffnung. Aber, so formuliert es der moderne Victoria-Forscher Tristram Hunt: »Sie genoss die emotionale und physische Seite ihrer Ehe enorm, aber nicht die Konsequenzen.«
    Schon die junge Königin vertraut ihrem Tagebuch an, Geburten seien bei allem Glück das »Einzige, was ich fürchte«.
    Die muss sie jedoch – wie andere Königinnen, Königsgemahlinnen und normalsterbliche Ehefrauen zuvor – in rascher Folge absolvieren. Selbst als Regentin einer Weltmacht teilt sie das Schicksal vieler fruchtbarer Ehefrauen vor der Erfindung allgemein zugänglicher Verhütungsmittel.
    1857 hat die 37-jährige Victoria neun Kinder unter fünfzehn Jahren. Als ihre Tochter Vicky später kurz nach ihrer Eheschließung von den zu erwartenden Mutterfreuden schwärmt, teilt Mama Victoria ihr mit: »Was du von dem Stolz darüber schreibst, einer unsterblichen Seele das Leben schenken zu dürfen, ist sehr schön, meine Liebe, aber ich kann mich dem nicht anschließen: Ich denke von uns eher als wie von einer Kuh oder einer Hündin in den Momenten (der Geburt); wenn unsere arme Natur so tierisch
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