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Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Autoren: Anne Holt
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entgegengesetzte Richtungen gezogen. Hanne stopfte ihre Decke gut um sich herum fest, schwieg aber noch immer.
    »Ich verstehe das nicht, Hanne. Ich habe schon so viele Jahre Verständnis. Und du hast immer gesagt, daß sich eines Tages alles ändern würde.«
    Noch immer lag Hanne Wilhelmsen schweigend da, in Embryostellung, und ihr Rücken wirkte wie eine eiskalte Abfuhr.
    »Zwei Telefonnummern. Ich kenne keinen einzigen von deinen Kollegen. Und deinen Eltern bin ich auch nie vorgestellt worden. Deine Schwester wird höchstens mal in einer Anekdote aus deiner Kindheit erwähnt. Und zusammen Weihnachten feiern können wir auch nicht.«
    Jetzt hatte sie sich wirklich heiß geredet und setzte sich im Bett halb auf. Sie hatte das alles vor über zwei Jahren zuletzt zur Sprache gebracht, und obwohl sie nur minimal daran glaubte, daß sie irgend etwas erreichen würde, kam es ihr plötzlich unendlich wichtig vor, klarzustellen, daß sie sich mit der Lage noch immer nicht abgefunden hatte. Daß sie sich niemals an die wasserdichten Schotten gewöhnen würde, die Hannes gesamtes Leben außerhalb der Wohnung abschirmten.
    »Warum sind wir nur mit Ärztinnen und Krankenpflegern befreundet? Warum treffen wir uns nur mit meinen Bekannten? Himmel, Hanne, du bist der einzige Polizist, mit dem ich je gesprochen habe!«
    »Ich bin kein Polizist«, erklang es tränenerstickt aus den Kissen.
    Wieder hatte Cecilie den Impuls, die Hand auf den Rücken neben sich zu legen, und diesmal brauchte sie sie nicht zurückzuziehen. Der ganze Körper bebte. Hanne Wilhelmsen hatte nichts zu sagen. Ihre Liebste hielt den Mund, schmiegte sich nur dicht, ganz dicht an die Weinende und beschloß, dieses Thema nie wieder zur Sprache zu bringen. Und wenn doch, dann erst in vielen Jahren.

SAMSTAG, 29. MAI
    Später ging ihr auf, daß er gar nicht schlecht ausgesehen hatte. Groß und blond. Ziemlich breite Schultern. Eine matte, kahle Glühbirne über der Haustür verriet, daß sich die Haare über den Schläfen schon zurückzogen und daß er für diese Jahreszeit ungewöhnlich braun war, selbst wenn man das gute Wetter berücksichtigte. Die Haut der Frau wirkte in diesem bleichen Licht milchig, er dagegen war golden, so als sei er gerade vom Osterausflug in die Berge zurückgekehrt.
    Sie löste sich aus dem Schatten und wühlte in ihrer großen Stofftasche nach dem Schlüssel. Mit einem Interesse, das ihr eigentlich hätte auffallen müssen, beobachtete er sie dabei, als habe er mit sich selbst eine Wette abgeschlossen, daß sie nicht imstande sein würde, in diesem Chaos etwas zu finden.
    »›Geld ist nicht alles auf der Welt, sagte der Alte, als er in eine Damentasche schaute.‹ Findest du sie nicht?«
    Sie bedachte den Typen mit einem müden Lächeln. Mehr brachte sie nicht über sich. Es war zu spät.
    »Mädels wie du sollten um diese Zeit nicht mehr unterwegs sein«, sagte er, als sie die Tür schließlich öffnete. Er folgte ihr ins Haus. »Na dann schlaf gut«, fügte er hinzu und ging die Treppe hoch.
    Der Briefkasten war leer. Sie fühlte sich nicht so ganz wohl. Sie hatte zwar nicht viel getrunken, nur zwei Halbe, aber das Lokal war sehr verräuchert gewesen. Ihre Augen brannten, die Kontaktlinsen schienen förmlich am Augapfel zu kleben.
    Das ganze Haus war schon zur Ruhe gegangen, nur ein ferner Baß aus einer kräftigen Stereoanlage in irgendeinem Nachbarhaus ließ den Boden unter ihren Füßen leise erheben.
    Die Tür hatte zwei Sicherheitsschlösser. Eine alleinstehende junge Frau mitten in der Stadt könne einfach nicht vorsichtig genug sein, hatte ihr Vater gemeint und die Schlösser selbst montiert. Sie benutzte nur das eine. Auch der Pessimismus mußte seine Grenzen haben.
    Warmer, heimeliger Geruch stieg ihr zur Begrüßung in die Nase, und sie stolperte über die Schwelle. Kaum war sie in der Wohnung, stand er da.
    Der Schock war größer als der Schmerz bei ihrem Sturz. Sie hörte, wie hinter ihr die Tür ins Schloß fiel. Die eiserne, kalte Hand auf ihrem Mund lähmte sie vollständig. Hart spürte sie sein Knie im Kreuz, ihr Kopf wurde an den Haaren nach hinten gezogen. Ihr Rücken schien durchbrechen zu wollen.
    »Mund halten und brav sein, dann geht alles gut.«
    Seine Stimme war jetzt ganz anders als noch vor drei Minuten. Aber sie wußte, daß er es war. Und sie wußte, was er wollte. Eine vierundzwanzig Jahre alte Frau in einem Mietshaus mitten in Oslo hatte keine nennenswerten Wertsachen. Außer der, auf die er scharf
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