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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon
Autoren: Emile Zola
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Revolution die ihrigen mit einer dreisten Kühnheit? Man
greift uns an, wir verteidigen uns; nichts ist billiger. Man möchte
uns knebeln, uns die Hände binden, uns zu
einem Leichnam machen. Das werden wir uns niemals gefallen lassen.
Aus Liebe für das Land werden wir immer da sein, um ihm zu raten
und. ihm zu sagen, wo seine wahren Interessen liegen. Das Land
bleibt übrigens unumschränkter Herr seines Schicksals. Es stimmt
ab, und wir beugen uns vor seiner Stimme. Die Mitglieder der
Opposition, die dieser Versammlung angehören, wo sie volle Freiheit
genießen, sind ein Beweis unserer Ächtung vor den Entscheidungen
des allgemeinen Stimmrechts. Wenn das Land mit erdrückenden
Mehrheiten das Kaiserreich verlangt, mögen die Revolutionäre sich
an das Land halten … Im Parlamente sind heute alle Hindernisse
einer freien Kontrolle beseitigt. Der Herrscher wollte den großen
Staatskörperschaften einen mehr unmittelbaren Anteil an seiner
Politik einräumen und einen deutlichen Beweis seines Vertrauens
geben. Sie können künftig die Handlungen der Regierung erörtern,
Verbesserungsanträge stellen, begründete Beschlüsse fassen. Jedes
Jahr wird die Adresse gleichsam ein Stelldichein zwischen dem
Kaiser und den Vertretern der Nation sein, wo diesen die
Möglichkeit geboten ist, alles frank und frei herauszusagen. Aus
der öffentlichen Erörterung gehen die starken Staaten hervor. Die
Rednertribüne ist wiederhergestellt, diese Tribüne, die durch so
viele Redner berühmt geworden, deren Namen die Geschichte
verzeichnet hat. Ein Parlament, das frei sprechen kann, ist ein
Parlament, das arbeitet. Wollen Sie meinen vollen Gedanken
kennenlernen? Ich bin glücklich, hier eine Gruppe von gegnerischen
Abgeordneten zu sehen. So wird es doch immer Gegner unter uns
geben, die bemüht sind, uns Fehler vorzuhalten, und so unsere
Rechtschaffenheit in das volle Licht rücken. Wir fordern für sie
die weitestgehende Unverletzlichkeit. Wir fürchten weder die
Leidenschaft, noch den Skandal, noch die Mißbräuche des
Wortes, so gefährlich sie auch sein
mögen … Was die Presse betrifft, meine Herren, so hat sie sich
nie einer vollständigeren Freiheit erfreut, unter keiner Regierung,
die entschlossen war, sich selbst zu achten. Alle großen Fragen,
alle ernsten Interessen haben ihre Organe. Die Staatsverwaltung
bekämpft nur die Verbreitung verderblicher Lehren, die
Fortpflanzung des Giftes. Aber, verstehen Sie mich wohl, wir sind
voll Achtung vor der rechtschaffenen Presse, welche die laute
Stimme der öffentlichen Meinung ist. Sie unterstützt uns in unserer
Aufgabe; sie ist das Werkzeug des Jahrhunderts. Wenn die Regierung
sie in ihre Hände genommen hat, so geschah es nur, um sie nicht in
den Händen ihrer Feinde zu lassen … «
    Ein zustimmendes Gelächter wurde hörbar. Rougon näherte sich
indes dem Ende seiner Rede. Er packte das Holz der Tribüne mit
seinen gekrümmten Fingern. Er beugte seinen Leib vor und fegte mit.
seinem rechten Arme durch die Luft. Geräuschvoll wie ein wilder
Strom rauschte seine Stimme dahin. Plötzlich schien er inmitten
seiner Freiheitsschilderung von einer keuchenden Wut erfaßt zu
sein. Seine ausgestreckte Faust, gleich einem Sturmbock
vorgeschleudert, schien jemanden in der Luft zu bedrohen. Dieser
unsichtbare Widersacher war das rote Gespenst. In einigen
dramatischen Phrasen zeigte er das rote Gespenst, wie es sein
blutiges Banner schüttelte, die Brandfackel umhertrug, Bäche von
Blut hinter sich zurücklassend. Das Sturmläuten der Tage der
Empörung klang aus seiner Stimme heraus mit dem Zischen der Kugeln,
dem Plündern der Kassen der Bank, dem gestohlenen und aufgeteilten
Gelde der Bürger. Die Abgeordneten auf ihren Bänken erbleichten.
Dann ward Rougon wieder ruhiger und mit lauten Lobeserhebungen auf
den Kaiser, die klangen wie das Schwingen eines Räucherfasses,
schloß er seine Rede.
    »Gott sei Dank, wir stehen unter dem Schutze
dieses Fürsten, den die Vorsehung auserkoren hat, um uns zu retten
an einem Tage unendlicher Barmherzigkeit. Im Schutze seiner hohen
Weisheit dürfen wir uns der Ruhe und Zuversicht hingeben. Er hat
uns bei der Hand genommen und führt uns zwischen Klippen hindurch
Schritt für Schritt nach dem sicheren Hafen.«
    Ein Jubel des Beifalls begleitete diese Worte. Die Sitzung wurde
auf zehn Minuten unterbrochen. Die Abgeordneten drängten sich dem
Minister entgegen, der sich in seine Bank begab, schweißtriefend
und heftig atmend. Herr La Rouquette, Herr
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