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Sein

Sein

Titel: Sein
Autoren: Lilly Gruenberg
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schön – Sie sind Frau Falk?«
    Nadine nickte.
    »Bitte sehr.« Die Dame öffnete eine verspiegelte Tür zwischen den Regalen, und hieß Nadine mit einer einladenden Geste einen kurzen Flur entlang gehen. »Sie werden schon erwartet. Viel Vergnügen und gute Entspannung, Frau Falk.«
    »Danke sehr, die werde ich bestimmt haben.«
    Nadines Absätze klackerten bei jedem Schritt auf dem Steinfußboden. Am Ende des Flurs klopfte sie zweimal kurz mit dem Fingerknöchel an die Tür.
    Eine helle Stimme rief »Herein«.
    Zunächst sah Nadine nur die fuchsroten, zu einem üppigen Pferdeschwanz gebändigten Locken der Frau, die ihr, mit einer geblümten Sommerbluse und einer cremefarbenen Leinenhose bekleidet, den Rücken zudrehte und irgendetwas aufräumte. Dann, als diese sich zu ihr umdrehte, war sie für einen Augenblick sprachlos. Stark getuschte, von einem schwarzen Kajal umrahmte, katzengrüne Augen blickten sie weit aufgerissen an, der knallrote Mund für Sekunden zu einem überraschten
Oh
geformt.
    »Nadine?«, fragte ihr Gegenüber schließlich vorsichtig.
    »Hey, das ist ja ein Ding! Hallo Myriam«, erwiderte Nadine, die Stimme verunsichert angehoben und ließ es zu, dass die ehemalige Schulkameradin sie spontan und unerwartet herzlich umarmte. »Dich hätte ich jetzt nicht erwartet.«
    Sie lachten beide verlegen, während Myriam Nadines Jacke entgegen nahm und über einen freistehenden Garderobenständer hängte. Auch dieser Raum war in warmen Gelbtönen gehalten, jedoch nicht so kräftig. Die Möblierung beschränkte sich aufs Notwendigste.
    Nadine betrachtete Myriam genauer. Ihre Gesichtszüge waren nicht mehr so weich wie noch vor ein paar Jahren.
Wir haben wohl alle das Babyface der Jugend verloren
.
    Nach dem Abitur waren sie einander nie mehr begegnet und auch zur Schulzeit hatten sie kaum ein Wort miteinander gesprochen. Es war eher so gewesen, dass sie einander bewusst ignoriert hatten. Zum Teil hatte dies daran gelegen, dass Nadine sich stets an Sophie orientiert hatte und mit denselben Leuten in ihrer Freizeit abgehangen war wie diese. Ganz abgesehen davon, dass sie beide schon frühzeitig in die Welt der Erwachsenen abgedriftet waren und sexuelle Erfahrungen und Abenteuer gesucht hatten. Wenn Nadine daran zurückdachte, wurde ihr heute noch schlecht. Sie hatten so verdammt viel Glück gehabt, nie an die falschen Männer geraten zu sein. Bestimmt waren sie mehr als einmal haarscharf Bordell und Zuhältern entkommen.
    »Das ist ja toll, dass wir uns wiedersehen, wie geht’s dir? Wir haben uns ja eine halbe Ewigkeit nicht gesehen …«, plauderte Myriam unbefangen los, als wären sie damals die besten Freundinnen gewesen.
    Nadine hatte das Verhalten ihrer Klassenkameradin während des Unterrichts jedoch stets als ein wenig zu forsch und direkt empfunden, eine Spur zu keck und selbstbewusst. Eigentlich war es dem Auftreten ihrer Freundin Sophie gar nicht so unähnlich gewesen, immer ein wenig provokant und ab der Pubertät etwas zu freizügig. In einem Punkt hatten sich Myriam und Sophie jedoch ganz klar unterschieden. Myriam war viel egoistischer und zickiger als Sophie gewesen, mitunter auch sehr hinterhältig, wenn dies für sie vorteilhaft war. Ganz im Gegensatz zu Sophie, die zwar ihre eigenen Interessen verfolgte, aber nicht auf Kosten anderer, und der stets das Wohlbefinden ihrer besten Freundin am Herzen gelegen hatte.
    Nun, vielleicht hatte Myriam sich ja in der Zwischenzeit verändert. Nadine tendierte dazu, jedem eine zweite Chance zu geben, und hinter allem erstmal das Beste zu vermuten. Das war möglicherweise ein wenig naiv, wie Laurin mitunter bemängelte, entsprach aber ihrem positiven Denken. Sie konnte einfach nicht anders.
    »So, was darf ich denn für dich tun?«, zwitscherte Myriam unbefangen.
    Nadine kramte in ihrer Handtasche. »Ich hab einen Gutschein, den hat Sophie mir zum Geburtstag geschenkt. Du erinnerst du dich doch noch an Sophie?«
    »Na klar«, lachte Myriam. »Ihr wart ja wie siamesische Zwillinge. Wo sie war, warst auch du.«
Genau in dieser Reihenfolge, nicht umgekehrt
, fügte Nadine in Gedanken hinzu. Wobei sie nie das Gefühl gehabt hatte, hinter Sophie hergelaufen zu sein. Sophie war eben viel selbstbewusster und abenteuerlustiger als sie gewesen, und hatte Dinge gewagt, über die Nadine niemals nachgedacht hätte.
    Myriam warf einen kurzen Blick auf den Gutschein. »Okay, also, die Classic-Behandlung. Na, dann nimm mal Platz. Die Bluse solltest du ausziehen, damit
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