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Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Titel: Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
Autoren: Michael Jürgs
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hat ähnliche Erfahrungen gemacht, denn bei der ARD »redet ja nicht nur einer allein, sondern 84 Gremien reden mit. Und mindestens ein Dutzend Chefs muss alles abnicken. Das ist einfach sehr anstrengend.«
    Es muss, weil sie doch stets auch an ihrem Anspruch gemessen werden wollen, von den beiden Dinos ARD und ZDF mehr verlangt werden als gut gemachte, hochrangig besetzte TV-Movies, geschickt zum Fernsehevent des laufenden Jahres dann hochgejubelt, falls die Geschichte papieren dünn ist oder wieder mal Veronica Ferres die Hauptrolle spielt. Der Leute-Heute-Boulevard-Deutschland- Blick auf spracharme Tussis und deren wechselnde, nur im Body und nicht etwa im Kopf gebildete Begleiter, ein Winter- oder Sommerabend der Volksmusik, der Aufstieg des Eisbären Knut zum Ehrenbürger von Berlin – alles gleich unterhaltend? Oder doch eher der Beweis dafür, dass den Machern nichts Besseres eingefallen ist und, weil es so gut angekommen ist, sie gnadenlos alles auswringen bis zum letzten Tropfen Substanz?
    Für die Samstagabende hat man Thomas Gottschalk und Frank Elstner und, Gott möge uns schützen, Jörg Pilawa. Die beiden Guten, sichtlich nicht mehr die Jüngsten, können nicht alles selbst machen, können nicht alles moderieren, was andere nicht können. In welchen Anstalten, in welchen Abteilungen, in welchen Schubladen vermodern für Anke Engelke oder das blonde Gift Barbara Schöneberger passende Formate? Warum hievt die sonst lautstark alles besser wissende WDR-Intendantin Monika Piel nicht Zimmer frei ins
Abendprogramm des Ersten? Sie schreit doch immer nach Qualität, und die läge nah, ein paar Stockwerke unter ihr in Köln.Warum ist angemessen bezahlten Unterhaltungsprofis von ARD und ZDF nicht etwas so Witziges eingefallen wie die Schillerstraße auf Sat.1, wo live von den Komödianten spontan gespielt werden muss, was ihnen eine Moderatorin aus dem Regieglaskasten über ihre Kopfhörer aufträgt, zur allgemeinen Belustigung des anwesenden Publikums? Warum ist Neues aus der Anstalt in manchen Wochen das einzig Witzige, was aus der Anstalt ZDF nach außen dringt? Warum darf Olli Dittrich nur in seiner norddeutschen Trinkbude nachts am Tresen herumlabern? Warum hat es so lange gedauert, bis Ina Müller ins Erste durfte?
    Intelligente Unterhaltung gibt es, allerdings bei RTL: Günther Jauchs Wer wird Millionär? Die Sendung lebt nicht wie andere Quizsendungen nur von der Gier der Kandidaten, berühmt oder reich zu werden, oder davon, dass Millionen zu Hause mitraten und stolz in den Werbepausen ihre Nachbarn und Verwandten anrufen, weil sie wieder mal mehr wussten als irgendeine Kandidatin, sondern von der selbstironischen Schlagfertigkeit des Moderators. Der übrigens als Beruf den ehrenwerten des Journalisten angibt.
    Was ist überhaupt gute Unterhaltung? Hunderte von Versuchen, unterhaltend zu sein, sind versendet und längst vergessen worden, und zwar in allen Sendern. Was nicht nur daran lag, dass die Zuschauer einfach zu blöd sind für bestimmte Formate, deshalb die Quoten nicht stimmten und die Versuche scheitern mussten. Es stimmt zwar, dass es Millionen von Blödem zu begeisternde Blöde gibt, sonst müsste ein Superstar -Abend der Blödmacher wie hier nicht erfunden werden. Aber es stimmt auch, dass sowohl in den für Unterhaltung zuständigen Hauptabteilungen von ARD und ZDF als auch in den entsprechenden Ressorts der Privatsender
viele fest angestellte Feiglinge sitzen, die andere ihnen gemäßere Berufe schwänzen – welche bloß? – und sich nicht trauen, ihrer Klientel etwas mehr als das Übliche zuzutrauen.
    Oder sind sie gar einfach zu blöde?
    Von den Gebühren- und Geschmacksfreien wird genommen, was unter dem Gesichtspunkt »Zoten = Quoten« mal erfolgreich war und schon deshalb von der Zielgruppe gern gesehen wird, weil ihre Angehörigen entweder eine besonders Doofe in ihrer Unterschichtennachbarschaft kennen, auf die das zutrifft, oder sie selbst zur vorgeführten Spezies der Verblödeten gehören. Als da, selbstverständlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit, zum Beispiel wären:Auspeitscher, Einpeitscher, Machos, Schwule, Tunten, Transen, Bettnässer, Tätowierte,Vollbusige, Scham- und Schmallippige, Spaßvögler, Verklemmte, Pornografen. Nichts allzu Menschliches auf Seichtgebieten aller Art bleibt den Machern fremd und damit denen, für die sie senden. Dies ist allerdings keine Aufforderung an die von Gebühren lebenden Sender, sich Gedanken in diese Richtung zu
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