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Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Liv Winterberg
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bezahlen?«
    »Mein Täubchen, darüber mache dir keine Gedanken.« Er nahm ihr Gesicht in seine Hände, küsste sie auf die Stirn und wandte sich zum Gehen.
    Wann hat er angefangen, mich »Täubchen« zu nennen?, fragte Bérénice sich. Früher hatte ich einen Namen, warum benutzt er ihn nicht mehr?
    »Und außerdem«, er wandte sich kurz um, als er an der Festtafel vorbeilief, auf der ausgebreitet das Kleid lag, »du hast ja auch etwas davon.« Ein Augenzwinkern, dann war er verschwunden.
    Komm nie auf die Idee, mich in aller Öffentlichkeit »Täubchen« zu nennen, dachte sie und schloss das Fenster so heftig, dass die Scheiben klirrten.

    Jola füllte eine weitere Schale mit Suppe und reichte sie mit klammen Fingern einem dickleibigen Händler, der auf seinem Wagen saß. Gierig griff er zu. Immer noch konnte sie nicht glauben, dass sie bei dieser bitteren Kälte vor dem Schloss stand und die wartenden Händler und Lieferanten verköstigte.
    Gedankenverloren sah sie zum Schloss hinüber. Seit der Vater des Barons verstorben war, glich das Leben einem Sonnentag nach dunkler Regennacht. Amédé de Troyenne hatte mit Umbauten begonnen, denn aus der Trutzburg sollte nun ein Schloss werden. Tatsächlich hatte er ein gutes Händchen bei seinem Vorhaben bewiesen: Alles war heller und wärmer geworden, und ein Ende der Arbeiten war noch nicht abzusehen.
    Nachdem der alte Küchenmeister eines Tages umgefallen war und seinen letzten Atemzug getan hatte, war durch den Baron veranlasst worden, dass ein neuer Küchenmeister eigens aus Nantes geholt wurde. Einer, den man nicht beim Namen rief, sondern den man stets als »Küchenmeister« anzusprechen und dabei das Wort »Meister« zu betonen hatte.
    Die Arbeit war vor dem Fest ungleich mehr geworden, und die Mägde Babette, Ania und Jola hatten des Nächtens kaum noch ein Auge zugetan, so lange hatten sie schuften müssen. Und heute war die Stimmung nahezu unerträglich, denn der Küchenmeister war ins Schwitzen geraten. Das war kein gutes Zeichen. Vielmehr war es eine Anklage an seine drei Mägde, dass ihre Arbeit noch immer nicht ausreichte, ein Grund, Worte durch Schläge zu ersetzen.
    Jola hatte am Vormittag gleich zwei Körbe mit Eiern gepackt, die von Bäuerinnen geliefert worden waren. Trotz der Schlepperei war ihr nicht entgangen, dass der Baron, als er den Schlosshof betrat, dem Küchenmeister entgegenlief und wünschte, dass eine Suppe verteilt werde. Vor dem Tor. Unter den wartenden Händlern. Wann hatte es so etwas gegeben?Suppe für alle! Genau das machte ihn aus, den Baron. Ein gutes, großes Herz, aber keine Vorstellung davon, was er ihnen damit zusätzlich an Arbeit bescherte. Im Laufschritt eilte sie mit den schweren Körben in die Küche.
    »Schnell, schnell, wir müssen den Händlern und Lieferanten eine Suppe reichen«, rief sie Babette und Ania zu, die Flusskrebse wuschen. »Holt einen der größten Töpfe und reichlich Wasser, stellt ihn schon auf die Feuerstelle.« Der Ofen, mit dem inmitten des Raumes ununterbrochen gebacken, gebraten und gekocht wurde, hatte den Raum mit seiner dampfenden Wärme inzwischen erfüllt. Bei den Umbauten hatte man ihn vergrößert und sogar noch einen Spieß angebracht, auf dem man Vogelvieh und Kleintiere bis hin zum Ferkel aufspießen und über Kohlen wenden konnte, bis das Fleisch knusprig wurde, dass einem das Wasser im Munde zusammenlief.
    Babette schob eine feuchte Strähne ihres dunklen Haares unter die speckige Haube und schaute mürrisch herüber. Anias hübsches Köpfchen rührte sich nicht, unbeirrt wusch sie die Flusskrebse weiter.
    »Der Baron hat’s angewiesen, beeilt euch, der Küchenmeister kommt gleich«, Jola holte Luft, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, »und er schwitzt wieder.« Sofort ließen Babette und Ania die Flusskrebse stehen – zu oft hatten sie den hölzernen Löffel schon zu spüren bekommen – und verschwanden in verschiedene Richtungen.
    So waren sie schon inmitten der Vorbereitungen, als der Küchenmeister die Küche betrat. Doch trotz des vorauseilenden Gehorsams seiner Mägde musste er sich abreagieren. Mehrfach hatte er mit einem der Holzlöffel auf Babettes knochigen Rücken eingeschlagen. Schweigend hatte sie die Dresche ertragen, und ihr Gesicht hatte noch kantiger und hohlwangiger als sonst gewirkt.
    Es war die Kälte, die Jola aus ihren Gedanken zurückholte. Die Kälte begann inzwischen in den Füßen zu schmerzen und zog sich immer weiter den Leib hinauf. Nur ihre Finger
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