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Seherin von Kell

Seherin von Kell

Titel: Seherin von Kell
Autoren: David Eddings
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straff gespannte Zelttuch dröhnen und dieses Geräusch störte ihn beim Einschlafen. Er wälzte sich herum.
    »Kannst du auch nicht schlafen?« fragte Ce'Nedra in der kalten Dunkelheit.
    »Es liegt am Wind«, antwortete er.
    »Versuch, nicht daran zu denken.«
    »Ich muß gar nicht daran denken, aber es ist, als wolle man in einer riesigen Trommel schlafen.«
    »Du warst heute morgen sehr mutig, Garion. Ich hatte grauenvolle Angst, als ich von diesem Ungeheuer hörte.«
    »Es war ja nicht das erste Mal, daß wir mit Ungeheuern zu tun hatten. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran.«
    »Wenn das nicht eingebildet klingt!«
    »Das ist durch unseren Stand bedingt. Allen großen Helden geht es so. Gegen ein oder zwei Ungeheuer vor dem Frühstück zu kämpfen regt den Appetit an.«
    »Du hast dich verändert, Garion.«
    »Nicht wirklich.«
    »O doch! Als ich dich kennenlernte, hättest du so was nie gesagt.«
    »Als wir uns kennenlernten, nahm ich alles sehr ernst.«
    »Und was wir jetzt tun, nimmst du nicht ernst?« fragte sie fast anklagend.
    »Aber natürlich! Doch für die kleinen Nebensächlichkeiten unterwegs lohnt sich nicht mehr als ein Schulterzucken. Es ist schließlich sinnlos, sich über etwas Sorgen zu machen, das bereits vorbei ist, oder?«
    »Na ja, nachdem wir beide sowieso nicht schlafen können…« Und sie zog ihn an sich und küßte ihn ganz fest.
    Die Temperatur fiel in dieser Nacht stark, und als sie aufstanden, war der am Vortag so gefährlich weiche Schnee steif gefroren, und sie konnten weiterreiten, ohne Lawinen befürchten zu müssen. Da diese Seite des Berges während des Blizzards die volle Kraft des Windes zu spüren bekommen hatte, war wenig Schnee in den Furchen den Karawanenwegs liegengeblieben, und sie kamen gut voran. Am Nachmittag ließen sie den letzten Schnee hinter sich und ritten in eine Frühlingslandschaft. Auf den steilen Wiesen wuchs saftiges Gras, und die bunten Blumen nickten im Wind. Bäche, die direkt von den Gletschern kamen, hüpften und brausten über glänzende Steine, und Rehe blickten ihnen in sanftem Staunen nach, als sie vorbeigeritten waren.
    Ein paar Meilen unterhalb der Schneegrenze sahen sie große Herden Schafe, die geistlos darin vertieft waren, Gras und Blumen gleichermaßen zu fressen. Die Schäfer, die sie hüteten, trugen weiße Kittel und saßen, ihren Tagträumen nachhängend, auf Felsblöcken, während ihre Hunde die ganze Arbeit machten.
    Die Wölfin trottete ruhig neben Chretienne her, doch ihre Ohren zuckten hin und wieder, und ihre hellbraunen Augen beobachteten die Schafe angespannt.
    »Ich würde es nicht raten, kleine Schwester«, sagte Garion in der Sprache der Wölfe zu ihr.
    »Ich habe es auch nicht wirklich in Betracht gezogen«, versicherte sie ihm. »Ich bin diesen Tieren schon öfter begegnet – und den Menschenwesen und Hundewesen, die sie bewachen. Es ist nicht schwer, sich eines der Tiere zu holen, aber die Hundewesen werden dann sehr aufgeregt, und ihr Bellen stört beim Fressen.« Sie ließ die Zunge in wölfischem Grinsen aus dem Maul hängen. »Aber man könnte diese Tiere hetzen. Alle sollten wissen, wem der Wald ge-hört.«
    »Das würde dem Rudelführer nicht gefallen, fürchte ich.«
    »Das fürchte ich auch«, bestätigte sie. »Vielleicht nimmt der Rudelführer sich selbst zu ernst. Mir ist diese Eigenschaft an ihm schon aufgefallen.«
    »Was sagt sie?« fragte Zakath neugierig.
    »Sie dachte daran, die Schafe zu hetzen«, antwortete Garion.
    »Nicht unbedingt, um sie zu töten, nur um sie herumzujagen. Ich glaube, so was amüsiert sie.«
    »Amüsieren? Glaubst du wirklich, daß man dieses Wort bei einem Wolf anwenden kann?«
    »Warum nicht? Wölfe spielen gern und haben einen ganz ausgeprägten Sinn für Humor.«
    Zakaths Miene wurde sehr nachdenklich. »Weißt du was, Garion«, sagte er schließlich, »der Mensch bildet sich ein, daß die Welt ihm gehört, aber wir teilen sie mit allen möglichen Arten von Kreaturen, die sich um unsere Oberherrschaft überhaupt nicht kümmern. Sie haben ihre eigenen Gesellschaftsstrukturen und sogar ihre eigenen Kulturen. Sie achten wirklich nicht auf uns, oder?«
    »Nur, wenn wir ihnen lästig werden.«
    »Das ist ein niederschmetternder Schlag für das Ego eines Kaisers.« Zakath lächelte schief. »Wir sind die beiden mächtigsten Männer auf Erden, und Wölfe sehen in uns nicht mehr als etwas, das ihnen lästig fallen kann.«
    »Es lehrt uns Demut«, bestätigte Garion. »Demut ist gut
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