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Seepest

Seepest

Titel: Seepest
Autoren: Manfred Megerle
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zweite Mann, ein
     hochgewachsener Blondschopf im weißen Muscleshirt, hob unwillig den Kopf. »Na
     und, was stört dich daran?«, wies er den Bärtigen zurecht und warf einen
     flüchtigen Blick auf den Monitor.
    Leicht erhitzt, mit abgelegten
     Jacken und gelockerten Krawatten, umstanden die acht Teilnehmer der
     ungewöhnlichen Party zwei runde Bistrotische, nippten mit kaum verhohlener
     Spannung an ihren Champagnergläsern oder sahen wie beiläufig durch die
     Bullaugen auf den nächtlichen See hinaus, wo in der Ferne die Lichter des
     Südufers sachte auf und ab zu tanzen schienen.
    Ein mokantes Grinsen flog über das
     Gesicht des Blonden. »Vergiss nicht, mein Alter, sie finanzieren dein süßes
     Leben, und das nicht zu knapp.«
    Er stand auf, griff nach dem
     Mikrofon, das auf dem Tisch lag, und drehte die Musik leiser. Schade um den
     schönen Titel, dachte er. »Conquest of Paradise«, eines der besten Stücke von
     Vangelis. Sie hatten es nicht ohne Bedacht gewählt: Mit ihm wurde einst Henry
     Maske in den Ring geschickt, es würde auch die Meute hier an Bord auf Trab
     bringen.
    Der Blonde schaltete das Mikro ein.
     »Meine Herren«, begann er. Augenblicklich verstummten die Gespräche, die Gruppe
     wartender Männer draußen im Salon war ganz Ohr. »Lassen Sie uns nun zum
     Höhepunkt unserer heutigen Surprise-Party kommen.«
    »Wie wahr, wie wahr«, brummte der
     Bärtige. Treffender hätte man die Erwartungen ihrer Gäste nicht ausdrücken
     können.
    »Jawohl, nischt wie ran!«,
     sächselte denn auch ein nicht mehr ganz nüchterner Dicker mit Halbglatze und
     sah sich Beifall heischend um, derweil sein Doppelkinn wie ein Wackelpudding
     hin und her wogte.
    »Also, der Zufallsgenerator hat die
     heutigen Paarungen bestimmt.« Die zweideutige Wortwahl rief allgemeine
     Heiterkeit hervor. »Kajüte eins geht an Medicus.«
    Ein hochgewachsener, weißhaariger
     Endfünfziger, vom Champagner erhitzt, stieß eine Art Jubelruf aus, einem Jodler
     nicht unähnlich. Triumphierend stellte er sein Glas auf den Tisch, reckte in
     Siegerpose den rechten Arm in die Luft, mit Zeige- und Mittelfinger das Victory-Zeichen
     bildend. Von Beifall und anzüglichen Rufen seiner Kumpane begleitet, stolzierte
     er grinsend davon. Sekunden später war er in dem spärlich beleuchteten Gang
     verschwunden, der vom Salon aus nach hinten führte und von dem rechts und links
     je vier Türen abgingen.
    »Für Kajüte zwei hat der
     Zufallsgenerator Hubertus bestimmt, Kajüte drei für Advocatus und die vier …
     die vier gehört Bacchus …« Kurze Zeit später waren alle acht Männer im
     rückwärtigen Teil des Schiffes verschwunden.
    Keiner von ihnen ahnte, dass vom
     Betreten der Kajüte an jede ihrer Bewegungen von einer versteckten Kamera
     aufgezeichnet wurde.
    »Stell dir vor, einer unserer
     Gäste würde sich in diesen Raum verirren – nicht auszudenken!«, grunzte der
     Bärtige und schaltete die restlichen acht Monitore ein.
    Den Blonden ließ diese Vorstellung
     kalt, kaum dass sie ihm ein müdes Kichern entlockte. Während er ohne
     sonderliches Interesse in seiner Zeitschrift blätterte, behielt der Bärtige die
     Monitore im Auge – schließlich mussten sie sichergehen, dass keiner der
     Partyteilnehmer über die Stränge schlug.
    So vergingen einige Minuten.
     Plötzlich erregte etwas die Aufmerksamkeit des Bärtigen; er setzte sich auf und
     beugte den Oberkörper vor. Mit aufgerissenen Augen starrte er auf den Monitor
     oben links und reckte den Kopf nach vorn, um nur ja jedes Detail zu erkennen.
     Schließlich hielt es ihn nicht mehr auf seinem Sitz, er sprang auf, mit lautem
     Poltern kippte der Stuhl nach hinten.
    »Unser Doc geht wohl ordentlich zur
     Sache, was?«, fragte der Blonde leichthin, ohne sein zielloses Blättern zu
     unterbrechen. Er wusste genau, welche Kajüte auf welchen Monitor geschaltet
     war.
    Der Bärtige ging nicht auf den
     Plauderton ein. Nur mit Mühe konnte er seine Aufregung verbergen. »Da stimmt
     doch was nicht«, krächzte er heiser. »Komm her, schau dir das an! Ja, spinnt
     der jetzt völlig, oder was?«
    Im Nu war der Blonde auf den
     Beinen. Er schaltete den Ton zu und starrte auf den Bildschirm, versuchte zu
     verstehen, was sich in der Kajüte abspielte. Der Anblick war alles andere als
     beruhigend: Quer über dem Bett lag ein Mädchen, blutjung noch, mit so gut wie
     nichts am Körper. Ihr Kopf ragte über den Bettrand hinaus, hing schlaff nach
     unten. Der vor
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