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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod
Autoren: Ann Cleeves
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Matschfleck. Einen Augenblick lang fragte Connie sich, ob sie wohl geschubst worden war, sie stellte sich vor, wie Alice schikaniert wurde, wie die Kinder die Ablehnung und die kleinen Grausamkeiten ihrer Mütter einfach übernahmen. Aber so durfte sie nicht denken. Dann würde sie nur paranoid und drehte durch.
    Sie nahm Alice bei der Hand und ging mit ihr an den Tisch, auf dem die Bilder der Kinder, ihre Handabdrücke und Collagen aus Nudeln zum Trocknen ausgelegt waren. Die anderen Mütter hatten sich um Elizabeth geschart, und während Alice ihre Werke heraussuchte, sickerte das Gespräch der Erwachsenen in Connies Bewusstsein.
    «Ist Veronica heute nicht da?»
    Veronica gehörte nicht zu den Tanten, aber sie war die Vorsitzende des Ausschusses der Spielgruppe. Sie geisterte durch Connies Träume. Eine geschmeidige Raubkatze mit einer Strickjacke von
Marks & Spencer
und leuchtend rot geschminkten Lippen. Sie war oft im Gemeindesaal, wenn die Mütter kamen, trieb ausstehende Beiträge ein oder forderte sie auf, für den nächsten Wohltätigkeitsbasar einen Kuchen zu backen.
    «Nein.» Elizabeth klang ruhig und unbekümmert. Connie war sich nie so ganz sicher, was die Frau des Pfarrers von Veronica hielt. «Ich müsste selbst mal mit ihr reden. Auf dem Heimweg schaue ich bei ihr vorbei. Bei diesem herrlichen Wetter hat sie vielleicht beschlossen, den Tag im Garten zu verbringen. Ich glaube, Christopher ist gerade auf Dienstreise.»
    Connie griff ganz automatisch nach den Bildern, die Alice ihr reichte. «Sehr hübsch», sagte sie. «Die hängen wir in der Küche auf, ja?» Sie klang zerstreut; sie horchte, ob es noch mehr Neuigkeiten von Veronica gab, und blieb ausnahmsweise gern etwas länger im Gemeindesaal. Aber das Gespräch drehte sich jetzt um die Zuteilung der Schulplätze und irgendeine Veranstaltung im Pub. Veronica war bereits vergessen, und Connie ging, Alice noch immer an der Hand, ohne ein Wort mit jemandem zu wechseln.
     
    Das Cottage am Fluss hatte Connie gemietet, als sie aus der Stadt weggezogen war. Sie hatte einfach nur fortgewollt, es war ihr egal, wohin. Mallow Cottage gehörte Freunden von Franks Eltern, die keine Lust mehr hätten, es als Ferienhaus zu vermieten, so hatte Frank ihr erklärt. Und selbst nutzten sie es nicht; sie arbeiteten noch beide und hätten es als Geldanlage gekauft, um sich fürs Alter abzusichern, damals, ehe die Preise am Immobilienmarkt ins Bodenlose fielen. Als die Dinge eskalierten, hatte Frank Connie sogar ein Plätzchen in seinem Haus angeboten. Um Alices willen, hatte er rasch hinzugefügt, damit Connie nicht auf falsche Gedanken kam. Er hatte nach der Scheidung nach vorn geschaut, in seinem Leben gab es eine neue Frau. Aber sie seien in seinem Gästezimmer willkommen, bis die Reporter es aufgäben, vor ihrer Haustür zu zelten. Zu der Zeit war sie so verzweifelt, dass sie das Angebot beinahe angenommen hätte. Vielleicht wurde Frank dann klar, dass er sich bloß unerwünschte Untermieter aufgehalst hätte, denn bald danach bot er ihr das Cottage im Tyne Valley an. Connie stellte sich vor, wie er alle seine Freunde angerufen hatte: Hilf mir da raus. Du musst doch was wissen, wo sie hin kann. Mag schon sein, dass sie sich das alles selbst eingebrockt hat, aber deshalb muss Alice ja nicht darunter leiden. Wenn mir nichts anderes einfällt, muss ich sie hier bei mir pennen lassen. Er benutzte immer noch solche Ausdrücke wie «pennen». Er war künstlerischer Leiter eines Theaters in Newcastle, und seine Neue war eine junge Designerin.
    Von außen war Mallow Cottage sehr hübsch. Ein traditionelles Steinhaus mit einem Ziegeldach und einem winzigen Garten, der zu einem kleinen Bach hinunterführte, welcher gleich hinter einer schmalen Brücke in den Fluss mündete. Drinnen war es dunkel und feucht, aber damit kam Connie zurecht. Die ersten paar Wochen waren herrlich gewesen. Sie hatte Alice bei der Spielgruppe angemeldet und langsam erste Freundschaften geschlossen. Die Frauen, zumindest die, die sie auf einen Kaffee zu sich einlud, brachten ihre Kinder ins Cottage, die mit Alice spielen konnten. Connie hatte beschlossen, ihren Mädchennamen zu tragen. Sie war schon eine ganze Weile geschieden, und Franks Name bedeutete ihr nichts. Vielleicht könnte sie ja in die Anonymität abgleiten, vielleicht sogar wieder Arbeit finden, jetzt, wo der Rummel endlich verebbt war. Schließlich brauchte sie das Geld. Von ihren Ersparnissen und Franks Barmherzigkeit konnte sie nicht
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